von Bernd Schips
Silvio Borner studierte Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule St. Gallen (HSG). Nach dem Lizenziat (1966) wurde er Assistent von Professor Walter Adolf Jöhr (1966 – 1968). Direkt nach der Promotion (1969) ging er als „Visiting Research Fellow“ an die Yale University (1970 – 1972). Dieser Forschungsaufenthalt und die dort erlebte Diskurs-Kultur prägten lebenslang sein Verständnis für das Verhältnis von Wirtschaftstheorie und Wirtschafts-politik.
Aus den USA zurück, habilitierte er sich an der HSG und wurde an seiner «Alma mater sangallensis“ Professor für Volkswirtschaftslehre (1974 – 1978). Von 1978 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2009 war er Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Basel; 1987/1988 Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät; 1990 einer der Gründungsväter des Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrums (WWZ); 2001 Gründer der „International Summer School of Law, Business and Economic Policy“ und von 2007 bis 2009 auch Dekan der 1995 neu geschaffenen Wirtschafts-wissenschaftlichen Fakultät.
Mit dem Spannungsfeld „Theorie versus Politik“ hat er sich schon in seiner Dissertation („Die Überbeschäftigung: Ansätze zu einer theoretischen Klärung“) und später auch in seiner Habilitationsschrift („Wissenschaftliche Ökonomik und politische Aktion: Eine politische Ökonomie der professionellen Beratung der Wirtschaftspolitik“) befasst. Er fühlte sich dabei jedoch nie an eine der verschiedenen Denkschulen oder an eines der in der Disziplin gerade dominierenden Paradigmen gebunden. Im Zentrum seiner wissenschaftlichen Beiträge stand immer die Frage, wie können die im realen Geschehen auftretenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme „bestmöglich“ gelöst werden. Für ihn galt dabei stets die Maxime „immer nur so viel Staat als unbedingt nötig, aber immer so viel Markt und Wettbewerb als möglich (Karl Schiller)“.
Entsprechend breit sind sein Schrifttum und die Themen der für Politik und Wirtschaft erstellten wissenschaftlichen Gutachten und Studien. Es war ihm stets wichtig, die längerfristigen Auswirkungen der von der Politik nicht selten nur wenig gründlich durchdachten und oft auch opportunistisch gefällten Entscheide zu hinterfragen und darzulegen. Bis zuletzt kämpfte er unermüdlich gegen als wissenschaftlich etikettierte Arbeiten, die darauf ausgerichtet sind, die von Politik und Interessengruppen erhofften Ergebnisse zu bestätigen („Advocacy Research“).
In Vorträgen und in den zur Information der Öffentlichkeit konzipierten Kolumnen nahm er deshalb meist auch ganz bewusst pointiert Stellung zu ordnungspolitischen „Sünden“ von Wirtschaft und Politik. Er wollte, dass sich Zuhörer und Leser mit den thematisch aufgegriffenen Fragestellungen und Problemen, aber auch mit seinen eigenen Einschätzungen und Stellungs-nahmen gründlich auseinandersetzen. Seine Offenheit und Bereitschaft zu sachlichen Diskussionen wurde geschätzt und ermöglichte ihm auch ein Netz von Beziehungen mit Wirtschaft und Politik zu knüpfen, das ihm auch half sich für Anliegen seiner akademischen Wirkungsstätte einsetzen zu können.
Silvio Borner war auch ein geschätzter und erfolgreicher akademischer Lehrer. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses war ihm ein besonderes Anliegen. Ehemalige Studierende besetzten oder besetzen noch heute wichtige Positionen in Wirtschaft und Verwaltung und zahlreiche seiner ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter sind nun selbst Mitglieder von Lehrkörpern in- und ausländischer Universitäten.
Wer Silvio Borner kennen lernen durfte, weiss welchen kreativen Wissenschaftler und kritischen Denker die Schweiz mit ihm verloren hat.
von Emanuel Höhener
Es war im Spätsommer des Jahres 2012, als mir eine Kopie einer Studie und Analyse zur im 2011 verkündeten Energiestrategie 2050 zugestellt wurde. Die Studie »Volkswirtschaftliche Auswirkungen der Energiestrategie 2050 des Bundesrates« war ein Auftrag der Swisselectric, durchgeführt durch das Institut für Wirtschaftsstudien Basel AG (IWSB). Die Autoren waren Silvio Borner, Dominik Hauri, Patrick Koch, Lukas Mohler und Markus Saurer.
Ich muss hier in Erinnerung rufen, dass damals im Zusammenhang mit der neu verkündeten Energiestrategie 2050 – von welcher neben dem Ausstieg aus der Nuklearenergie nur rudimentäre Angaben zu weiteren Massnahmen vorlagen – ein zweiter energiepolitischer Aspekt heftigst diskutiert wurde, nämlich die Zielsetzungen zu einer 2’000 Watt Gesellschaft. So setzte sich die Studie auch mit beiden Aspekten auseinander, so ich mich erinnere, wurde insbesondere der Frage nach Entkopplung von Wirtschaftswachstum (resp. halten von Lebensstandards) und Energieverbrauchs -Wachstum nachgegangen, dies besonders elektrischen Strom betreffend.
Ich war sehr erstaunt über diese Studie, stand sie doch in totalem Gegensatz zum Gesülze an Studien und Stellungsnahmen, welche damals unterstützend zu den Segnungen der neu verkündeten Energiewende aufgetischt wurden. Diverse professionelle Beraterfirmen, wie auch die ETH Zürich liessen sich bereits damals von der Politik einlullen, möglicherweise auch kaufen. Die Arbeit des IWSB war da sehr verschieden, sachbezogen, realitätsnah, logisch im Aufbau und konsequenterweise auch sehr kritisch betreffend Zielerreichung der neu verkündeten Energiestrategie 2050.
Als ehemaliges Mitglied des Swisselectric Vorstandes habe ich unverzüglich Kontakt mit ehemaligen Kollegen, welche noch aktiv im Swisselectric Vorstand waren, aufgenommen. Mich erstaunte, warum die Swisselectric eine derartige Studie in Auftrag gibt, deren Konklusionen eigentlich mit denjenigen, welche die Swisselectric Mitglieder Kraft ihres Wissens und ihrer Firmeninteressen auch mittragen sollten, nicht publik machte. Meiner Meinung nach hätte die Swisselectric resp. deren Vertreter unterstützt durch die Analyse des IWSB guten Grund gehabt, nach Bern zu gehen und da gründlich auf den Tisch zu hauen, um der Meinung Nachdruck zu geben, dass dies so nicht geht. Auch nicht umsetzbar ist und, besonders, die Versorgungssicherheit enorm gefährdet. All dies war bereits 2011 für diejenigen mit Verantwortung an der Front absehbar und bekannt.
Nun es kam anders. Über die Segnungen der neuen Energiestrategie war man sich offensichtlich auch innerhalb der Swisselectric alles andere als einig. Es gab eifrige aktive Befürworter (und hintenrum Berater der verantwortlichen Politikerin) und sehr kritische Geister, welche jedoch – aus welchen Gründen auch immer – damit nicht an die Öffentlichkeit wollten. So versandete die qualitativ hervorragende Studie.
Mit obigen Kenntnissen nahm ich Ende 2012 Kontakt mit Silvio Borner auf. Meine Motivation und Zielsetzung zu diesem Schritt war, mit den Kernaussagen der IWSB Studie muss man an die Öffentlichkeit gehen. Nach einigem schriftlichen Gedankenaustausch trafen wir uns anfangs Oktober 2013 persönlich in Basel und diskutierten die Situation und das weitere Vorgehen. Klar war von allem Anfang an: die vorliegende Studie war eine Auftragsarbeit und ohne Einwilligung der Auftraggeber kann sie nicht publik gemacht werden. Also beschlossen wir eine Aufarbeitung des Themas, wobei die vorliegende Studie als Grundgerüst dienen sollte. Wir wollten auch zusätzlich einige, besonders technische, Aspekte vertieft aufarbeiten, wozu auch weitere Kollegen mit spezifischen Fachkenntnissen ins Team geholt wurden.
Daraus ist dann der Bericht »Energiestrategie 2050: Eine institutionelle und ökonomische Analyse« entstanden. Als Autoren wirkten Bernd Schips, Silvio Borner, Dominik Hauri Markus Saurer und Benhard Wyss. Eine interdisziplinäre Begleitgruppe bestand aus folgenden Personen: Hans Achermann, Irene Aegerter, Simon Aegerter, Markus O. Häring, Emanuel Höhener, Johannes Lüthi und Franz-Karl Reinhart, wobei die Herren Achermann, Häring und Höhener mit eigenen Texteilen beitrugen. Diese Arbeit wurde im Februar 2015 anlässlich einer Medienkonferenz in Zürich der Öffentlichkeit vorgestellt.
Im Laufe der konstruktiven, interdisziplinären Zusammenarbeit reifte auch der Gedanke, was wir tun könnten, um das akkumulierte Wissen zusammenzuhalten und allenfalls zu mehren. Daraus ist der Think Tank »Carnot- Cournot Netzwerk« entstanden, welcher Mitte 2015 formaljuristisch als Verein gegründet wurde. Der Vorstand der ersten Stunde bestand aus Hans Achermann, Silvio Borner, Sandra Borner, Markus O. Häring, Hans Rentsch, Markus Saurer, Bernd Schips und Emanuel Höhener. Silvio Borner amtete als erster Präsident.
Als Credo hat sich der Verein folgendes vorgelegt: Das Carnot-Cournot-Netzwerk (CCN) ist ein virtueller Think Tank für Politikberatung in Technik und Wirtschaft. Das CCN ist den Herausforderungen einer modernen Gesellschaft verpflichtet. Seine Mitglieder analysieren und evaluieren wirtschaftliche und politische Entwicklungen und nehmen zu politischen Vorstössen aller Art kritisch und pointiert Stellung.
Inzwischen hat sich der Verein nach dieser Mission weiterentwickelt und sich als bekannte Institution etablieren können.
Nicht in Vergessenheit geraten darf, dass die Entstehung von CCN ein grosses Anliegen von Silvio Borner war, er war initial die Triebfeder hinter dem Ganzen und hat einen grossen Anteil seiner Arbeitskraft in den letzten Jahren in die Entstehung und den Erfolg dieser Institution gesteckt.
Für mich waren dies nun rund acht Jahre, in denen es mir noch vergönnt war, mit Silvio zusammenarbeiten und Silvio als Freund gewinnen zu können. Acht enorm bereichernde Jahre, ausgefüllt mit vielen Gesprächen und Diskussionen auf hohem Niveau, mit gemeinsam verfassten Artikeln, mit gemeinsamen Auftritten zu Vorträgen und Themenapéros. Nun ist Silvio von uns gegangen. Sein Geist und seine Ideen werden im CCN weiterleben!
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