Das in den Medien gerne verwendete Label “progressiv” für den sogenannten linksliberalen “urbanen” Mainstream lässt sich nur tautologisch definieren. Als “progressiv” gilt heute das, was die Leute, die sich selber als progressiv bezeichnen, als fortschrittlich definiert haben, so dass die Etikette zum Stereotyp geworden ist. Was ist denn daran progressiv, dass jemand für mehr Staat und weniger Markt eintritt? Weshalb soll das Einstehen für eine einfache Flat Tax weniger fortschrittlich sein als dasselbe für das reale Steuergestrüpp mit progressiven Einkommens- und Vermögenssteuern? Und was soll progressiv sein an der Verteidigung eines Rentensystems, das demografische Veränderungen ignoriert und die Rentner auf Kosten der Aktiven und der jungen Generationen finanziert? Und schliesslich: Was soll denn an der Konzernverantwortungsinitiative so fortschrittlich gewesen sein, ausser dass halt die schädliche Moralisierung der Politik missioniarisch von denen betrieben wird, die sich als “progressiv” sehen? Peter Sloterdijk, philosophischer Grossmeister im Gebrauch scheinbarer Paradoxien und Kritiker des allmächtigen Steuerstaats, sagte im “Mittagsgespräch” auf Radio SRF1 im April 2019: „Ich würde mir am liebsten eine Zukunft vorstellen, in der konservative Positionen mehr und mehr in ihrer progressiven Wirkung wahrgenommen werden.” Diese Wunschbotschaft ist in den meinungsbildenden Redaktionsstuben, generell bei unserer Intelligenzia, noch nicht angekommen. Reply
In meiner Jugendzeit sprach insbesondere Radio Moskau von progressiven Kräften und meinte damit all diejenigen, die: – den “ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaat” bejubelten; – “Hoh Hoh Hoh Chi Min” und “Johnson assassin” grölten; – “Amis raus aus Vietnam!” auf Hausmauern schmierten; – Nyerere und Sekou Touré als die besten afrikanischen Staatschefs lobten, – die ungarische “Konterrevolution” von 1956 verteufelten; – mit roten Büchlein in der Hand nach China reisten und sich im Mai 68 und an den Zürcher Juni-Krawallen “kreativ” betätigten. Später fand man einige davon auf hohen Posten in der Bundesverwaltung und in Regiebetrieben des Bundes. Uebrigens schwärmen Moritz Leuenberger und Benedikt Weibel noch heute vom Mai 68 (zusammen mit dem Deutschschweizer Fernsehen) Reply