Paradoxe Realitäten der «Energiewende»

In den offiziellen Unterlagen zur kantonalen Abstimmung über das Aargauer Energiegesetz am 27. September wird zu Recht erwähnt, dass mit dem Ersatz fossiler Heizungen durch Wärmepumpen der Verbrauch elektrischer Energie vor allem im Winterhalbjahr steigt. Dann heisst es wörtlich: »Mit dem Bau von Photovoltaikanlagen auf geeigneten Dachflächen kann ein Beitrag für die künftige Versorgungssicherheit geleistet werden.» Damit wird vorgegaukelt, dass mit einem Zubau von Solaranlagen etwas gegen die zunehmende Stromknappheit im Winter getan werden könne. Das ist falscher als falsch, denn das Gegenteil ist wahr!

In der Schweiz wird über die Hälfte des Stroms aus Wasserkraft generiert. Allerdings ist dieser Strom saisonal ungleich verteilt: im Sommer fallen etwa drei Fünftel davon an, während im Winter nur zwei Fünftel verfügbar sind. Dieses Verteilmuster kommt aber erst nach Anwendung unserer stark ausgebauten Infrastruktur von Speicherseen und Pumpspeicherwerken zustande. Nur dadurch wird es möglich, die natürlichen hydrologischen Zuflüsse, die im Sommer etwa zu drei Vierteln anfallen, auf das 40:60 Prozent-Verhältnis zu glätten. Aber auch so ist das Schweizer Elektrizitätssystem dadurch gekennzeichnet, dass das Angebot des Wasserstroms den Verbrauchsansprüchen im Takt der Jahreszeiten zuwider läuft. Im Winter, wenn der Verbrauch höher ist, gibt es weniger Wasserstrom. Dieses Handicap wird heute durch die Kernenergie kompensiert. Ersetzt man diese nun mit Solarstrom, verschärft sich die bereits vorhandene Winterstromlücke, da Photovoltaikanlagen im Winter viel weniger liefern. In Deutschland betrug das Verhältnis im letzten Jahr 75% Ertrag im Sommer zu nur 25% im Winter. Damit entsteht ein veritables Winterstromloch. Dies auch deshalb, weil wir bis heute keine wirtschaftliche Speichermöglichkeit für Strom haben, die hier zusätzlich eingesetzt werden könnte.

Schon heute importieren wir im Winter durchschnittlich 4 Terawattstunden Strom aus dem Ausland. Mit einer Substitution der Kernenergie durch Solarstrom, würde dieses Winterstromloch nach den Berechnungen einer Empa-Studie von 2019 auf 13 TWh ansteigen. Und mit einer Elektrifizierung durch Wärmepumpen und viel mehr e-Mobilität auf sogar 23 TWh. Das Fazit ist einfach und ernüchternd: In der Schweiz führt die Installierung von Photovoltaikanlagen auf dem Stand der heutigen Technik zu einer Gefährdung der Versorgungssicherheit im Winter. Dass die Behörden diesen Tatbestand in den Abstimmungserläuterungen verdrehen, ist bedenklich.

Erschienen als Leserbrief in der Aargauer Zeitung «Die Botschaft» sowie im Blog des Autors: https://www.schlumpf-argumente.ch/paradoxe-realitaeten-der-energiewende/

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8 thoughts on “Paradoxe Realitäten der «Energiewende»”

  1. Absolut richtig, was Herr Schlumpf hier schreibt. Ich habe dann mal überschlagsmässig gerechnet, was es beim gesteigerten Strombedarf im Jahr 2035 bedeuten würde, wenn man den “Extasolarstrom” (mitttels PtGtP) soviel Wasserstoffgas von 17 TWh/ Halbjahr (–> äquivalenter Winterstrom, ca. für 4 Monate) speichern wollte, um ihn dann mittels H2-Gaskraftwerk zum effektiv brauchbaren Winterstrom umzuwandeln. Nicht nur, dass man ca. 45TWh ( das wären etwa 60GW installierte PV-Fläche!!) in 8 Sommermonaten sammeln müsste, was schon mal enorm wäre beim 25%igen PtGtP-Gesamtkettenwirkungsgrad. Würde man das Gas bei 10 bar in 40m Diameter grossen kugelförmigen Gasdruckbehältern – ähnlich wie man sie z.B. in Schlieren von der A1 aus sehen kann – speichern wollen ( ca, 250’000m3/Kugel), so bräuchte man dazu ca. 40’000 solcher Behälter, die ein Freifeld von ca. 10 x10 km2 beanspruchen würden, wenn man für jeden Behälter ein Teilfeld von NUR 50 x 50 m2 ansetzt.

    Einfache Plausibilitätsrechnung zeigt also den kompletten Wahnwitz dieser Idee, die aber ernsthaft von Solarlobbyisten diskutiert wird. Und so scheinbar leider auch Pate stand bei der Erstellung der aargauischen Abstimmungsunterlagen. Klar ablehnen diesen Mist also!

  2. Logisch,
    bei Dunkelheit und Windstille
    wird weltweit x-Stunden lang
    kein Strom produziert,
    brauchbare Leistung kommt
    jederzeit nur aus stabilen Quellen.
    Gegenteilige Behauptungen sind
    Glaubenssache oder Betrug oder Krank.

    Aus dem Geschichtsbuch 2030: Wind und Sonne haben weltweit nie ein Kraftwerk ersetzt.

  3. Wieso dieser Hass auf PV-Anlagen? Sie lösen das Problem im Winter nicht, da sind wir uns einig. Aber wieso stellen wir im Sommer die KKW nicht ab? Mehr als 60% der Primärenergie geht in die Luft oder erwärmt unnötig die Aare. Macht das wirklich Sinn?

  4. Fakt ist, dass die Winterstromlücke erst mit der Abschaltung der KKW im Kanton Aargau zunehmen wird, andere Aussagen sind Unfug. Und die KKW führen bereits heute zu einem unnötigen Stromüberschuss im Sommer und radioaktive Abfälle, die sehr wahrscheinlich im Kanton Aargau entsorgt werden müssen. Nur unverbesserliche Atombefürworter finden das gut.

  5. Lieber Herr Huber, keine Rede von Hass auf PV-Anlagen, was mich betrifft. Erstaunlich für mich, dass Sie mich angreifen, wo Sie doch auch einverstanden sind, dass PV-Anlagen das Winterproblem nicht lösen. Klar, unter der Voraussetzung, dass die Kernkraftwerke abgestellt werden, aber das ist ja die langfristige Strategie, und das habe ich auch so geschrieben. Dann aber lösen sie das Winterpoblem nicht nur nicht, sondern sie verschärfen es deutlich. Dazu sagen Sie nichts.
    Dass 60% der Primärenergie in die Luft gehen ist deshalb ein Scheinargument, weil auch so noch aus einem installierten MW Kernenergie übers Jahr neun Mal mehr Strom gewonnen werden kann, als aus derselben installierten Einheit einer PV-Anlage. Man muss es wiederholen: Die PV-Anlagen sind neun Mal weniger effizient als Kernenergie.
    Und warum kritisieren Sie den überschüssigen Sommerstrom aus den KKW, und verlieren kein Wort über den vielfach überschüssigeren Sommerstrom der PV-Anlagen? Die AKW sind immerhin imstande, im Sommer weniger abzugeben, als im Winter. Währenddem aber die PV-Anlagen, wie in meinem Post erwähnt, etwa drei Mal mehr Strom im Sommer liefern, als im Winter.
    Und schliesslich wohne ich ganz in der Nähe des Zwilag, wo die Schweizerischen Kernenergie-Abfälle gelagert sind (direkt beim internationale Forschungsstandort des PSI). Erklären Sie mir bitte, welche Gefahren Sie dabei sehen? Und warum sind offenbar alle Forscher dort, die sich nicht wehren, auch unverbesserliche Atombefürworter.

  6. Meine Kommentare sind nur eine Ergänzung mit ein paar Fakten und kein Angriff! Ich stelle leider fest, dass viele Akteure nur ihre Fakten darlegen und die andere Sicht der Dinge ausblenden. So ist eine konstruktive Diskussion kaum möglich. Mit welcher Begründung soll z. B. die KKW Produktion Vorrang im Sommer haben, wenn PV-Anlagen günstiger produzieren können? Und sind die radioaktiven Abfälle wirklich so ungefährlich, wenn Milliarden Franken notwendig werden, um sie sicher aufzubewahren und später zu lagern ???

  7. Philippe Hubers Kommentar wird der effektiven Sachlage nicht gerecht: Bis Ende 2022 werden in Süd-D und F (also in unserer Umgebung) ca. 8 GW(el) Atomstrom abgeschaltet.Nebenbemerkung: Das ist ein Strommenge von ca. 80 TWh/a, also mehr als die gesamt CH verbraucht Es entsteht sehr bald im voralpinen Raum eine Stromlücke, wie wir sie noch nie erlebt haben. Und das während des ganzen Jahres – nicht nur im Winter, lieber Herr Huber. Weiterhin wird D gezwungen sein, sukzessive seine (auch z.T. die im Süden) gelegenen KohleKW allmählich zu reduzieren.
    Folglich, zu meinen, man könne den bald auch fehlenden Sommerstrom “einfach” mit CH-Solarstrom kompensieren, plus dazu noch einen Anteil davon allenfalls für Winterstromnutzung abzuzweigen (–> PtGtP-Traum) scheint mir vollständig ignorant. Und: Mit dem Gas scheint es gesamt-europäisch ja auch nicht zum Besten zu stehen.
    Herr Huber sollte sich ein wenig mehr den realen Zahlen zuwenden.

  8. Die realen Zahlen gerne ich bestens, ich bin seit 30 Jahren in der Energiewirtschaft tätig! Die entstehende Stromlücke im nördlichen Alpenraum aufgrund der geplanten Abschaltung der KKW in Deutschland ist unbestritten und kann nicht allein durch PV-Anlagen kompensiert werden. Das bedeutet aber nicht, dass die PV die Winterstromlücke vergrössert. Das ist einfach falsch, unseriös und sogar nicht CCN würdig.

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