Aus für Windkraft-Leuchtturmprojekt

Der Glarner Landrat entschied am 24. April 2019 in einer mit Spannung erwarteten Abstimmung nach langer Debatte mit 30:24 Stimmen endgültig gegen die Windenergiezone bei Bilten. Damit wurde ein Windkraftprojekt gestoppt, das von den Betreibern als «Leuchtturmprojekt» für die Ostschweiz gehandelt worden war. In der Linthebene bei Bilten in der Gemeinde Glarus Nord sollten mitten in dicht besiedeltem Gebiet fünf 200 Meter hohe Windräder aufgestellt werden. Entgegen aller wirtschaftlichen und ökologischen Logik versuchte man, das Projekt aus politischen Gründen durchzuboxen. Die Entscheidung hat Ausstrahlung auf die ganze Schweiz.

3D-Visualisierung des geplanten Windkraftprojektes «LinthWind» bei Bilten in Glarus Nord © Verband Freie Landschaft Schweiz/LinthGegenwind

Das endgültige Aus für das Windkraftprojekt «LinthWind» ist ein triumphaler Erfolg für die Bevölkerung und für den Verein LinthGegenwind, der das Projekt mit einer engagierten Kampagne seit eineinhalb Jahren bekämpft hatte. Es wurden zahlreiche Informations- und Diskussionsveranstaltungen organisiert, Flyer an die Haushalte verteilt, Medienmitteilungen verschickt, Webseite und Facebook-Auftritt gepflegt und ein umfangreiches Dossier zusammengestellt. Ein Antrag auf Festlegung eines 700 Meter-Mindestabstandes wurde bei der Gemeinde eingereicht und hunderte von Unterschriften dafür gesammelt. Entscheidungsträger und Kantonsparlamentarier wurden mit Informationsmaterial versorgt. Bekannte Persönlichkeiten nahmen in «Bekenntnissen» gegen das Windkraftprojekt Stellung. Dadurch konnte ein starkes Gegengewicht zur Propaganda der Betreiber, Windindustrie und der Medien aufgebaut werden. Der Widerstand aus der Bevölkerung schwoll in den Wochen und Tagen vor der Abstimmung zu einem regelrechten Sturm an. Tagelang waren die Leserbriefseiten gefüllt mit Stellungnahmen von Bürgern gegen das Projekt, und bei Veranstaltungen meldeten sich betroffene Bürger entschieden zu Wort. Die lokale Monopolzeitung, die zeitweise eine feindselige Kampagne gegen die Windkraftgegner führte, mußte bekennen: «Ein regelrechter Sturm von Leserbriefen braust durch den Blätterwald», und der Redaktionsleiter kommentierte die Entscheidung resigniert: «Ein Projekt gegen so heftigen Widerstand durchzusetzen, ist fast unmöglich.» Dieser Erfolg zeigt wieder einmal, dass sich organisierter Widerstand lohnt.

Das Ende für «LinthWind» setzt die Niederlagen des vom Bund auch in der Ostschweiz forcierten Windkraftausbaus fest:

  • Appenzell entschied sich im Juli 2018 gegen die Windenergie, vor allem aus Gründen des Landschaftsschutzes.
  • St. Gallen strich kürzlich die Windzone bei Sargans aus dem Richtplanentwurf und hat jetzt nur noch eine kleine Windzone bei Krinau (Toggenburg) im Richtplan. Dort hat sich mit AelpliGegenwind ein beträchtlicher Widerstand formiert. Die Vorgaben des Bundes an St. Gallen sind hoch: 130-400 Gigawattstunden Strom aus Windenergie sollen jährlich produziert werden. Dies sei “absolut utopisch”, sagt Kantonsplaner Ueli Strauss-Gallmann im St. Galler Tagblatt. Der Kanton hat sich selbst nur ein Ziel von 25 GWh festgelegt, bis 2020 sollen es 10 GWh sein.
  • Thurgau musste in einer Neubeurteilung zwei von ursprünglich 8 Windzonen streichen, die übrigen Gebiete wurden zum Teil massiv verkleinert. In den Gemeinden Braunau und Wuppenau ist die Bevölkerung im Verein Lebensqualität Braunau/Wuppenau organisiert und leistet geschlossen bis hinauf zum Gemeindepräsidenten Widerstand. Die Gemeindevertretung hat bereits angekündigt, sich gegen alle Versuche des Kantons, eine Windenergiezone festzulegen, zur Wehr setzen zu wollen. Auch gegen die Windzone bei Salen-Reutenen in Nähe der deutschen Grenze und in Sichtweite des UNESCO-Weltkulturerbes Mainau regt sich Widerstand. Dort hat sich der Verein Pro Salen-Reutenen gegründet, auch von deutscher Seite her gibt es Proteste. 1’500 Einwendungen fluteten die Büros des Kantons. Die Gemeinde Sirnach kämpft gegen die geplante Windzone in der Nähe einer psychiatrischen Klinik und befürchtet Angstzustände bei den Patienten.
  • Im Kanton Schaffhausen soll eine Windindustriezone auf dem Chroobach errichtet werden. Dagegen wehrt sich die IG Gegenwind Chroobach. In der Vernehmlassung zum Richtplan gingen 1’300 Einwendungen gegen das Projekt ein, viele auch aus dem benachbarten Deutschland. Trotzdem wurde die Windzone festgesetzt. Die Gemeinde Hemishofen sprach sich 2016 in einer Konsultativabstimmung gegen den geplanten Windpark Chroobach aus. Weitere betroffene Gemeinden sind ebenfalls dagegen. Eine kantonale Volksinitiative verlangt eine Änderung der Verfassung, nach der sowohl die Kantonsbürger als auch die Standortgemeinden über Windenergiezonen abstimmen können.

Das einzige Grosswindkraftwerk in der Ostschweiz steht in Haldenstein bei Chur und dient als Vorzeigeprojekt. Es produzierte 2017 bei einer Auslastung von bescheidenen 15% Strom im Marktwert von ca. 200’000 Franken und erhielt dafür eine Vergütung von über 800’000 Schweizer Franken. Windgeneratoren in der Schweiz sind in erster Linie Subventionsgeneratoren. Sie generieren dreimal mehr Subventionen als Strom zu Marktpreisen. Nur deshalb können sie überhaupt betrieben werden.

Auch im Westen der Schweiz, wo der Ausbau der Windenergie viel weiter fortgeschritten ist, gab es zuletzt eine aufsehenerregende Abstimmung: Die Bürger von Court (Kanton Bern) entschieden mit 222:93 Stimmen überaus deutlich gegen ein geplantes Windkraftprojekt mit sieben Turbinen auf den Jurahöhen. Die Bevölkerung war nicht bereit, ihre letzten Erholungsräume zu opfern, schreibt dazu der «Verband Freie Landschaft Schweiz«.

Die Bevölkerung setzt sich immer mehr gegen die Beeinträchtigungen durch Windkraftprojekte zur Wehr und der vom Bund gewünschte Bau von 800-1000 Windkraftanlagen gemäß «Energiestrategie 2050» erweist sich als völlig illusorisch. Heute bestehen 37 Anlagen, die gerade einmal 0.2% (kein Druckfehler, in Worten: null Komma zwei Prozent) zur Stromproduktion beitragen. Die Schweiz ist zu kleinräumig, zu dicht besiedelt und hat zuwenig Windpotential. Nach realistischen Schätzungen hat Windenergie nur ein Nischenpotential von maximal 2% an der Stromproduktion (vgl. «Neue Energie für die Schweiz», UBS Chief Investment Office, 2016). Kürzlich kam heraus, dass das Windpotential sogar noch geringer ist als bisher angenommen. Das Bundesamt für Energie (BFE) mußte in der neuen Ausgabe des offiziellen Windatlas 2019 die bisherigen Werte deutlich nach unten korrigieren. Die alte Ausgabe von 2016 war politisch motiviert, entbehrte jeder wissenschaftlichen Grundlage und die jetzt durchgeführte Korrektur stelle den geplanten Ausbau der Windenergie zur Gänze in Frage, schreibt die «Freie Landschaft Schweiz».

Doch der Bund setzt weiter auf Druck und «will den Widerstand gegen Windräder mit juristischen Drohungen brechen». So kommentierte «Die Weltwoche» ein Rechtsgutachten des BFE, das nicht zufällig kurz vor der Abstimmung in Glarus publizierte worden war. Die Gemeinden und Kantone müßten die Windenergie fördern und es wäre ihnen nicht erlaubt, eigene Mindestabstände zu Windkraftanlagen festzulegen, heißt es darin. Dieses Gutachten ist politisch motiviert und will die verfassungsrechtliche Autonomie der Kantone und Gemeinden einschränken. LinthGegenwind hatte für seinen Antrag auf 700 Meter Mindestabstand selbst ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, dass zum genau gegenteiligen Ergebnis kommt und die Rechtmäßigkeit von kantonalen und kommunalen Mindestabstandsvorschriften bestätig. Auch gibt es mit Basel-Landschaft bereits einen Kanton, der 2014 einen Mindestabstand von 700 Metern im Richtplan eingeführt hat, was vom Bund geprüft und bestätigt wurde. Auch die Gemeinden Triengen LU und Tramelan BE haben Mindestabstände festgelegt.

Medien, Vertreter der Windindustrie und Politiker klagen über die Flaute beim Ausbau der Windenergie und den Rückschlag für die “Energiewende”. Reto Rigassi, Leiter des Branchenverbandes Suisse Eole, macht sich Sorgen über die “gut organisierte Gegnerschaft”. Suisse Eole erhielt Millionenzahlungen vom Bundesamt für Energie mit dem ausdrücklichen Auftrag, die Meinung der Bevölkerung zur Windenergie zu manipulieren und Volksabstimmungen zu beeinflussen. Der Verband Freie Landschaft Schweiz, die Dachorganisation der Windkraftgegner, hatte diesen Skandal aufgedeckt (“Bund zahlt Millionen an Wind-Lobby”, Sonntagszeitung vom 7. Mai 2017). Der Bund finanziert weiterhin Propaganda für die Windenergie. Letztes skandalöses Beispiel ist ein Artikel in der «Sonntagszeitung» («Wissenschaftler erforschen Vorurteile», 27. Januar 2019), der von der BFE-Plattform «Energie Schweiz» zusammen mit dem Medienkonzern Tamedia (!) gesponsert wurde. Der Artikel gibt sich unverdächtig naturwissenschaftlich, beginnt mit «Vorurteile helfen dem Gehirn, im Alltag mit der Informationsflut umzugehen» und endet bei «Fünf falschen Vorstellungen über die Energiezukunft». Das Werk trägt die Handschrift von Spin Doctors, das sind professionelle Werbepsychologen, und verwendet bekannte Techniken der Meinungsmanipulation, um die Kritiker der Windenergie als Deppen hinzustellen. Siehe dazu den Beitrag «Fake News des BFE« auf dem Blog des Carnot-Cournot-Netzwerkes.

 

Medienberichte und Quellen:

SRF, Schweiz aktuell: Die Linthebene bleibt frei von Windenergie
SRF News: Aus für Windpark im Glarnerland
Tagesanzeiger: Herber Dämpfer für die Windkraft

CVP Glarus, Votum der CVP-Landratsfraktion gegen den Windpark

Windkraftanlagen in Bilten? Dossier mit Fakten und Argumenten zum geplanten SAK-Windkraftprojekt in Glarus Nord. LinthGegenwind, 2019

Webseite von LinthGegenwind – Verein zum Schutz der Linthebene vor Windkraftanlagen

 

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