CCN-Brief an Vizedirektor Büchel: Die Solarenergie wird marktreif – ein Interview

offener-br-an-buechel.pngSehr geehrter Herr Büchel,Mit Kopfschütteln habe ich den Inhalt Ihres Interviews, über welches im BfE Magazin zu lesen war, zur Kenntnis genommen. Sie…

Sehr geehrter Herr Büchel,

Mit Kopfschütteln habe ich den Inhalt Ihres Interviews, über welches im BfE Magazin zu lesen war, zur Kenntnis genommen.

Sie stützen sich dabei auf die SATW Studie mit dem reisserischen Titel “Stromproduktion: Erneuerbare sind Spitze”. Und Ihr Interview endet mit der Aussage: “Ziel des BfE ist, dass Energie aus Photovoltaik marktreif wird und irgendwann ohne Unterstützung, ohne Subventionen überleben und sich am Markt etablieren kann”.

Ohne auf Details dieser neuesten SATW Studie einzugehen, möchte ich Ihnen darlegen, warum diese zu kurz greift und folglich die Interpretationen die daraus gezogen werden, zumal in der Form wie Sie es tun, unzulässig und gefährlich sind.

So schreiben die Autoren zwar in der Zusammenfassung, dass man “erstmals die Gesamtenergiebilanz der wichtigen Formen der Stromproduktion in der Schweiz nach einer einheitlichen Methodik analysiert”. Aber genau da greift die Analyse zu kurz, resp. vergleicht nicht Gleiches mit Gleichem.

Der Ansatz ERoEI vergleicht vernünftigerweise nur den Energieaufwand für Herstellung, Installation und Betrieb (Unterhalt) während der Betriebszeit (Lebensdauer) einer Anlage mit der generierten Nutzenergie in derselben Periode. Doch leider werden dazu bezüglich NEE Anlagen in der Studie zu oft beschönigte Parameter (“Laboransätze”) verwendet und nicht Parameter, wie sie sich effektiv aus der Anwendungspraxis ergeben – beeinflusst beispielweise durch Faktoren der Verschmutzung, durch die zwingende Notwendigkeit des Energieaufwandes für Zwischenspeicherung oder durch realistische Erwartungen über die Lebensdauer der Anlagen (z. B. aus Statistiken von TÜV und ähnlichen) und dgl. mehr. Werden in der Tat realistische Parameter berücksichtigt, so kommt man leider zu so unvorteilhaften Werten für die Anwendung von PV in unsere Breitengraden wie sie von Autoren wie F. Ferroni et al. (2016 und 2017) in sorgfältigen praxisorientierten Analysen hergeleitetet wurden (ähnliche Arbeiten wiesen bereits in den späten 1990-er Jahren sehr tiefe ERoEI Werte nach).

Daraus folgt, dass der ERoEI Koeffizient für PV Anlagen in unseren Breitengraden nahe bei 1 liegt. Zudem: auch wenn ERoEI = 1 energiewirtschaftlich gesehen ein Grenzwert ist, so ist in einer Gesamtbeurteilung letztlich wohl die Ökonomie einer Anlage entscheidend, und da würde ich meinen, müsste man urteilen: ERoEI kleiner rund 5 – Hände weg davon.

Sogar einen entscheidenden Fehlansatz wählt die SATW Studie mit dem Einbezug des Heizwerts beim Brennstoffverbrauch thermischer Anlagen: “Non Renewable Cumulative Energy Demand”. Solches wäre zulässig, wenn nur thermische Anlagen unter sich verglichen würden.

Vernachlässigt in der Studie wird jedoch, dass auch Wasserkraft, Windkraft und PV von einer Naturresource abhängig sind, die sich nicht direkt mit einem Heizwert vergleichen lässt und zudem besonders in der Schweiz rar und teuer ist: Landbedarf! So wäre ein aussagekräftiger Vergleich etwa so zu gestalten, dass man darlegt, wie viel Landbedarf ein Windpark oder eine PV Anlage erfordern, um im Jahresmittel ebenso viel Nutz-Energie zu produzieren, wie beispielsweise mittels 1 kg Uran (ein Würfel von 3,7 cm Kantenlänge!) produziert werden könnte. So hätte man zumindest eine Vergleichsbasis, welche auch eine praktische Aussagekraft hat. Was SATW dazu ableitet, taugt hingegen nichts.

Sehr geehrter Herr Büchel, tun Sie doch bitte nicht so, als hätte es nicht bereits vor Jahrzehnten in unserem Land massiven Widerstand gegen den Landverschleiss und die Landschaftverschandelung von Wasserkraftanlagen gegeben: Greina, Urserental, Ebene von Gletsch – um nur einige zu nennen. Dazu folgendes Zitat:

„Im Übrigen könne das Energieproblem in der Schweiz auf andere Weise gelöst werden. Auf lange Sicht sei nur die Kernenergie in der Lage, die Landesversorgung sicherzustellen”.

(Der schweizerische Naturschutzbund und das Rheinau Komitee zur Baubewilligung der Engadiner Kraftwerke – 1958)

Über weitere unzulässige Aussagen im SATW Bericht möchte ich mich hier nicht weiter äussern.

Dafür noch einige Anmerkungen zu PV und Marktreife: Welcher “reife” Markt schwebt Ihnen dabei vor? Derjenige, welcher PV Strom bezieht (oder verordnet beziehen muss), wenn es solchen gibt und sonst im Dunkeln sitzt, der kaum je existieren dürfte. Oder den realen Markt, der auf garantierte Versorgungssicherheit setzt und diese auch erwarten muss.

Um Letzteren isoliert zu bedienen, sind sowohl PV als auch Windkraft untaugliche Instrumente. Nur mittels sehr teuren zusätzlichen Systemleistungen und -Komponenten (Tagespufferung und saisonale Speicher) wäre Versorgungssicherheit zu gewährleisten, besonders dann, wenn alle CH Kernkraftwerke ausser Betrieb gesetzt werden. Bereits eine einfache Überlegung über die anfallenden Kosten legt dar, dass solches in einem freien Markt keinen Bestand hätte:

Angenommen, Energie aus PV Anlagen müsste die verlässlich planbare Produktion aus Kernkraftwerken (KKW) ersetzen, dann wäre die zu installierende nominelle PV Leistung folgende: (Lastfaktor (KKW) / Lastfaktor PV) / (Wirkungsgrad Speicherung * Speicherungsanteil). So kommen Sie auf einen Faktor in der Grössenordung von 10. Das heisst, man muss rund das 10-fache an PV Leistung installieren, um die Leistung der KKW zu ersetzen. Da sich die Investitionskosten bezogen auf die Nominalleistung von KKW (der Generation IV (z. B. Typ HTR-PM)) gegenüber denjenigen von PV Anlagen in etwa im Verhältnis 3:1 bewegen, stehen die Kosten für die Option PV gegenüber denjenigen der Option neuer KKW etwa im Verhältnis 3,5:1! In diesen Überschlagsrechnungen sind die enormen Zusatzkosten für Systemkomponenten wie Speicher und vieles mehr, welche im Falle der Option PV zwingend notwendig sind, noch nicht inbegriffen!

Neue thermische Alternativen im Inland – ob fossil oder nuklear – welche die Versorgungssicherheit viel kostengünstiger gewährleisten könnten, hat sich die Politik mit der durch das BfE entworfenen Energie- und CO2 Politik verbaut. Auf eine Importpolitik zu setzen, ist hoch riskant und zudem ökologisch höchst kontraproduktiv, denn deren Basis wäre primär Kohlestrom. Das sind Fakten und Umstände, wie sie im Vorfeld der Abstimmung vom 21. Mai 2018 von der öffentlichen Hand noch vehement bestritten wurden.

So bleibt die Frage: Welcher freie Markt würde eine solche Lösung wählen, wer soll solches ohne Zwang verkraften wollen?Oder hat das BfE vor, die Energieplanwirtschaft einzuführen? Was jedenfalls heute und auch mit Ihrem Interview geschieht, ist Orwell’sches Schönreden einer unhaltbaren, in ihrer vorliegenden Form nicht umsetzbaren Energiestrategie.

Es ist paradox, im Interview geben Sie immerhin bereits zu, dass sich “das” nicht lohnt, aber gleichzeitig setzen Sie auf das Prinzip der Hoffnung, es würde sich ändern. Eine realistische, kausal begründbare Basis für solche Hoffnungen gibt es jedoch nicht.

Mit freundlichen Grüssen

Carnot-Cournot-Netzwerk

Emanuel Höhener
Präsident

Kopie: Benoït Revaz, Direktor BfE

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Dateiname: Brief-an-DB-BfE-300518_def.pdf
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