Reisen und Lernen

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Das Reisen im Alter liefert viel Anschauungsmaterial, wenn man schon in jungen Jahren viel gereist ist. In Yale hatte ich 1970 einen berühmten südamerikanischen Kollegen, der die Wachstums-Chancen vor allem in Lateinamerika prognostizierte. Von Asien war nicht die Rede, ausser dem Vietnamkrieg oder dem von Mao lancierten Hungertod von Millionen. Auch Kuba war nur für Marxisten oder Sozialromantiker attraktiv. Ich bin deshalb stolz darauf, nie ein Che-Leibchen getragen, nie Ho-Chi-Min gerufen und nie ein rotes Büchlein in der Luft geschwenkt zu haben.

Vor etwa 40 Jahren durfte ich als Experte Venezuela besuchen. Caracas war damals die reichste Stadt in Lateinamerika. Heute sind Venezuela und Kuba zu Armenhäusern verkommen. Ist das die Folge des Klimawandels oder der Ausbeutung durch den Kapitalismus? Nein, es ist die Folge des lateinamerikanischen Sozialismus, der bei Linksintellektuellen immer noch Bewunderung auslöst. Ähnliche Erfahrungen habe ich in Moçambique gemacht, wo Jahre nach der Abschwächung des Sozialismus die Spuren des Versagens noch deutlich sichtbar sind.

Ebenfalls vor rund 40 Jahren weilte ich im Mombasa (Kenya), wo mein Studienkollege die Entwicklungshilfe leitete. Alles sah damals ziemlich hoffnungsvoll aus. Letztes Jahr war ich erstmals wieder in Mombasa. Auf den ersten Blick sah man mehr Autos und Handys. Aber schon auf den zweiten kam ich zum Schluss, dass sich alles deutlich verschlimmert hat. Bei jedem Gespräch mit Einheimischen konfrontierte ich diese mit meinem negativen Eindruck. Niemand widersprach, und alle nannten einen Grund dafür: die Korruption! Afrikanische Entwicklungsversagen hat zwei Hauptursachen: Sozialismus und Korruption.

Ebenfalls vor circa 40 Jahren besuchte ich Kolumbien und Peru. Die Lage und Aussichten waren in beiden Ländern düster. In Bogota z.B. durften wir nur in bewaffnet bewachten Restaurants einkehren und mussten im Auto einen Begleiter mit Schusswaffe mitnehmen. Heute ist von alldem nichts mehr zu sehen oder zu spüren. Lima, Bogotá und Cartagena sind moderne Grossstädte geworden, in denen man sich eher sicherer zu Fuss bewegen kann als in Basel. Natürlich gibt es immer noch (viel) Armut. Aber die Menschen haben nach 50 Jahren Bürgerkrieg und Drogen-Mafia gelernt, wie man Sozialismus und Korruption zwar nicht vermeiden, aber zumindest an den Rand drängen kann. Der Niedergang im benachbarten Venezuela verstärkt diese Einsichten.

Ich habe junge Leute getroffen, deren Familien wegen der FARC oder der Mafia nach den USA, Kanada oder gar Australien fliehen mussten, aber in den letzten Jahren freiwillig zurückgekehrt sind, um eine neue Existenz aufzubauen. Die Stimmung ist optimistisch, und die Rahmenbedingungen verbessern sich deutlich. Wichtigstes Exportgut für heute und morgen ist das Erdöl. Medellin hat sich schnell von einer Drogenhochburg in eine moderne Vorzeigestadt verwandelt. Es scheint so, als ob mein Yale-Kollege 50 Jahre später doch noch Recht bekommen würde.

Junge Kolumbianer haben offensichtlich mehr Vertrauen in ihre Zukunft zu Hause als in das Dasein eines Immigranten in die USA. Bei unseren 30 000 Jungen aus Eritrea ist das umgekehrt. Afrika braucht dringend einen «politischen Klimawandel» gegen Krieg, Korruption, Staatswirtschaft und Bevölkerungsexplosion. Wie erfolgreiche Länder in Asien belegen, braucht es dafür nicht Entwicklungshilfe von aussen, sondern Reformen von innen.

Dieser Beitrag ist zuerst in der BaZ vom 12. April 2018 erschienen.

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