Energiewende der Dummies – über Intelligenzprotze unter selbsternannten Energiepäpsten

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Zur Zeit als ich an der ETH studierte – Ende 1960-er / Anfang 1970-er Jahre – hatten wir eine sehr markante Persönlichkeit als Professor für numerische Mathematik: Eduard Stiefel. Prof. Stiefel, der immer behauptete, dass Ingenieure nie die Mathematik verstehen würden, versuchte uns auch Schopenhauer mit mathematischer Sichtweise näher zu bringen. Eine seiner vom Philosophen abgeleiteten Thesen war, dass es einen hyperbolischen Zusammenhang zwischen Umfang und Intensität des Wissens gebe (Abb. 1).

Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Intensität des Wissens und Umfang des Wissens nach Stiefel / Schopenhauer

Nach dieser These sollte es unser Lernziel sein, uns in der Richtung der Winkelhalbierenden des Quadranten zu bewegen. Immer nach Stiefel, sind ganz oben links die Einsteins dieser Welt zu finden, ganz unten rechts die Politiker: “Die wissen alles mit Intensität Null”. Zu einer ausgewogenen fundamentalen Grundausbildung – entlang der Winkelhalbierenden – gehört auch, dass man mit den Grundrechenarten wie addieren, subtrahieren, multiplizieren und dividieren umzugehen weiss.

Der Leser mag sich fragen, was diese Geschichte mit der laufenden Energiewende zu tun hat. Aus Dezember 2017 Statistiken über die Stromproduktion in Deutschland, welche uns Markus Häring aus dem CCN Vorstand dieser Tage zugestellt hat, geht hervor, dass die Produktion aus Wind und Sonne höchst bescheiden war und es fast ausschliesslich thermische Produktion vor allem aus Kohle war, welche die Versorgung sicherstellte (Abb. 2).

Abbildung 2: Deutsche Stromproduktion am 14. Dezember 2017

Die in Deutschland installierte Leistung von Photovoltaik (PV) und Windanlagen betrug Ende 2016 rund 91 GW, also deutlich mehr als aus dem Diagramm für die kumulierte Leistung von Wasserkraft, Biomasse und aus konventionell-thermischen Werken herausgelesen werden kann (rund 81 GW). Die effektiv installierte Kraftwerksleistung in Deutschland per Ende 2016 geht aus folgender Darstellung hervor (Abb 3).

Abbildung 3: Installierte Kraftwerksleistung in Deutschland Ende 2016 [GW]

Wir haben die Lastkurven in Deutschland seit über 2 Jahren verfolgt und beobachtet, dass im Monatsmittel während etwa 1/3 der Zeit weder Wind noch Solarkraft zur Verfügung steht – und dies beinahe unabhängig von der Jahreszeit. Der weitere Zubau dieser Produktionsarten hat einzig bewirkt, dass die Amplituden zunehmen, die Ausfallzeiten jedoch bleiben. Es ist daher besonders die konventionell-thermische Produktion, welche die Versorgung sicherstellt, und zwar in Form von Grundlast sowie auch als “Stand By” beim Ausfall von Wind- und Solarleistung. Da Deutschland bis 2022 alle Kernkraftwerke vom Netz nehmen will, wird die Bedeutung von Strom aus Kohle (Stein- und Braunkohle) noch weiter zunehmen müssen.

Es ist so, dass die Schweiz im Winterhalbjahr immer stärker auf Stromimporte angewiesen ist, die aus Gründen der Verfügbarkeit primär aus Deutschland kommen. Beispielsweise bezog die Schweiz am 15. Dezember 2017 nicht weniger als 41% ihres Strombedarfs aus Deutschland! Selbst die Politik in unserem Land realisiert darum langsam, dass die hiesige Energiestrategie auf eine Importstrategie hinausläuft, werden nicht bald korrigierende Massnahmen ergriffen.

Mit diesem Wissen hat unser Kollege Markus Häring dieser Tage auch nachgefragt bei einem Verwaltungsrats-Mitglied eines Basler Energieverteilers, der auch ein bekannter Politiker und selbsternannter Energieexperte ist:

Lieber Bartholomew*
Kannst du mir anhand der Produktion der letzten 3 Tage erklären, wie Deutschland je aus Kohle und Atomenergie aussteigen kann?
Mit besten Grüssen, Markus”

Antwort (Originaltext):

“Lieber Markus
Das ist ganz einfach. Wir produzieren Strom aus Gas, das via power to Gas im Sommer während Überschusserioden die n gaslager eingespeist wird. Die bestehenden Gaskavernen in D reichen für ca. Monate.
Schöne Weihnachten Bartholomew “

(Zum Glück hat Bartholomew keine Zahlen eingefügt, ansonsten wäre seine Antwort noch peinlicher.)

Gegenstand der Energiestrategie 2050 ist es auch, die Bevölkerung zu Energieeffizienz und zum Energiesparen umzuerziehen. Nichtsdestotrotz wird hier also vom “Experten” und Proponenten dieser Strategie tatsächlich ein Verfahren angepriesen, das sich vor allem als Energie-Verschleuderungs-Prozess kennzeichnet. Bei “Power to Gas to Power” (P2G2P) gehen tatsächlich um die 80% der primär eingesetzten Energie verloren! Man muss annehmen, Bartholomew könne nicht rechnen – nicht addieren und schon gar nicht multiplizieren (subtrahieren ist noch unklar). Denn wenn man sich dieses Können angeeignet hat, so kann man zusammen mit etwas Basis-Verständnis für Physik auch die Ineffizienz dieses Vorgangs durchblicken.

Also müsste der Sommerüberschuss (besonders an Solarenergie) schon gewaltige Dimensionen annehmen, damit daraus genügend Speicherenergie zur Deckung des Winterbedarfs bereitgestellt werden könnte. Denn für die Schweiz gilt es den Ausfall der Kernkraftwerke zu ersetzen, was über 60% des schweizerischen Grundlastbedarfs ausmacht. Sollte diese Kompensation aus Deutschland bezogen werden, so wäre die zu installierende PV Leistung um das Verhältnis Lastfaktor Nuklear zu Lastfaktor PV in Deutschland und weiter um die eben skizzierten Verluste durch den P2G2P Prozess zu dimensionieren, was rund dem 45- bis 50-fachen der in der Schweiz installierten Nuklearleistung entsprechen würde! Auch hier stellen wir fest, Bartholomew hat Probleme mit den Grundrechenarten.

Und er hat sich offensichtlich auch nicht über die Grössenordnung der vorhandenen Gaslager in Deutschland informiert – die nie ausreichen würden. Zudem hat sich Bartholomew offenbar auch nicht mit der kritischen Frage herumgeplagt, ob diese Lager denn auch gewissermassen exklusiv für schweizerische Interessen zur Verfügung stehen würden. Auch dabei wäre das Wissen um den Rechenprozess der Addition von Vorteil gewesen.

Und letztlich müsste man auch die Kosten der einzelnen Schritte zusammenzählen – noch eine Addition! Wenn Bartholomew als ausgebildeter Ökonom dies alles auch nur ansatzweise verstehen würde, wäre er über die daraus zu ziehenden Konsequenzen sicher extrem erschrocken. Dies besonders auch dann, wenn Bartholomew auch noch realisieren müsste, dass mit einem derartigen Anlagekonzept – PV und/oder Solar, kombiniert mit P2G2P der ERoEI Faktor (Ernergy Return on Energy Invested) weit unter 1 sinken wird. Das Ganze wäre keine Nutz-Energiequelle, sondern eine Energiesenke, eine Energievernichtungs-Maschinerie. Aber dies geht dann doch bereits viel zu weit über die Grundrechenoperationen hinaus.

Tragikomische Quintessenz der Geschichte: Bartholomew würde wohl heute mangels Kenntnis der Grundrechenarten den Sprung von der Grundschule in die Oberstufe nicht schaffen. Doch zum Energieexperten in der durch Subventionen verdorbenen schweizerischen Energieszene und dazu noch zum Lehrbeauftragten an der ETH reicht es offensichtlich noch alleweil: Alleswisser mit Intensität Null eben!

* Name dem Autor bekannt.

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7 thoughts on “Energiewende der Dummies – über Intelligenzprotze unter selbsternannten Energiepäpsten”

  1. Es ist einfach schade wenn man die genannten nicht mit Namen nennt.
    Das hilft leider niemanden um diese Personen in eine echte Diskussion zu bringen.

  2. In der “Szene” weiss man, wer gemeint ist. Hier hat Kollege Höhener eine Art Glosse geschrieben, die leider nicht nur auf Bartholomew, sondern noch auf sehr viele andere zutrifft.

  3. Ein wirklich guter Beitrag Herr Höhener, der den intellektuellen momentanen Stand dieser Diskussion in der Schweiz nur zu gut widerspiegelt.
    Besten Dank dafür.

  4. In meiner Chronik habe ich am 29.12. kommentiert, wie die Aussage aus Bern, dass unsere Stromversorgung bis 2035 gewährleistet sei, zu werten ist. In diesem Zusammenhang habe ich mich auch mit der in meinen Augen problematischen Studie «Eckpfeiler eines schweizerischen Strommarktdesigns nach 2020» näher auseinandergesetzt. Es kristallisiert sich meines Erachtens allmählich heraus, dass unter dem neu verwendeten Begriff der «Strategischen Reserve» in erster Linie eine nicht ganz unumstrittene Importstrategie zu verstehen ist. Dies lässt sich aus einer anlässlich eines Vortrags zufällig gemachten Bemerkung des Direktors BFE entnehmen, welche aber eindeutig im Widerspruch mit wiederholt gemachten Äusserungen der Energieministerin stehen würde.

  5. das findet bereits heute in vielen Winterstunden dank der hervorrangen Anbindung am europäischen Stromnetz aus wirtschaftlichen Gründen statt. Mit der schrittweise Abschaltung der KKW wird dies dann zwingend sein, um die Stromversorgung sicherzustellen. 2003 gab es einen vollständigen Blackout in Italien, weil Italien auf Stromimporte angewiesen war und 2 wichtige Stromleitungen in der Schweiz wegen Überlastung ausgelöst hatten. Die geplante strategische Reserve gibt es in der Schweiz bereits heute im Winter faktisch nicht. Welche Kraftwerke sollen es dann 2030 sein???
    Man soll leider nicht nur rechnen können, sondern auch eine Ahnung haben und eben nicht nur eine Meinung!!!

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