Schweiz ohne Pestizide: Faule Äpfel

Faule-Aepfel.pngAuf dem Sammelbogen für die Initiative gegen Pflanzenschutzmittel suggerieren die Initianten, dass Nahrungsmittel auch ohne Pestizide produziert werde…

Initiativtext (Klicken für grösseres Bild)

Auf dem Sammelbogen für die Initiative gegen Pflanzenschutzmittel suggerieren die Initianten, dass Nahrungsmittel auch ohne Pestizide produziert werden können. Sie tun das, indem sie zwei gesunde Äpfel abbilden, die sich nur darin unterscheiden sollen, dass der eine ohne und der andere mit Pflanzenschutzmittel hergestellt worden sei. Das ist eine grobe Verzerrung der Fakten, mit der gutgläubige Menschen hinters Licht geführt werden.

Richtig ist das Bild oben: Pflanzenschutzmittel sind notwendig, um die Nahrungsmittel, die wir selbst essen möchten, gegen tierische Konkurrenz zu schützen. Unsere Ernährungssicherheit hängt davon ab, dass nicht bereits auf den Feldern oder in den Lagern Ratten, Insekten (z.B. Fruchtfliegen, Apfelwürmer), Pilze (z.B. Schimmelpilze) oder andere Schädlinge das zerstören, worauf unser Leben aufbaut.

Wenn man die Idee der Initianten zum Nennwert nimmt und sie bis ans Ende durchdenkt, kommt man zum Schluss, dass unsere Landwirtschaft auf den Stand des 19. Jahrhunderts – mit tiefen Erträgen und hohem Risiko von Fehlernten – zurückgeworfen würde. Die Ernte- und Lagerverluste würden stark zunehmen. Beispiel: Irland litt von 1845 – 1852 an einer verheerenden Hungersnot mit etwa einer Million Toten und zwei Millionen Auswanderern. Grund dafür war die völlige Vernichtung der Kartoffelernte durch die Pilzkrankheit “Kraut- und Knollenfäule”. Diese Krankheit ist auch heute noch eine grosse Bedrohung. Sie kann aber durch heutige Pflanzenschutzmittel im Zaum gehalten werden. Das Jahr 2016 mit seiner nasskalten Witterung hat gezeigt, dass bei schlecht geschützten Kulturen (Weizen, Kartoffeln) grosse Ertrags- und Qualitätseinbussen wegen Pilzkrankheiten hingenommen werden mussten. Im Unterschied zum Irland des 19. Jahrhunderts können solche Ertragseinbussen heute durch Importe wettgemacht werden und führen nicht mehr zu Nahrungsmittelknappheit, Hunger und Tod – jedenfalls nicht in der “reichen Schweiz”.

Das ist nicht ehrlich

Nur, unehrlich wird es, wenn man bei uns die schöne, reine Naturproduktion ohne Pflanzenschutzmittel propagiert, im Wissen darum, dass Ernteausfälle durch Nahrungsmittelimporte ausgeglichen werden können. Auf diese Weise wird der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nur verlagert. Andere müssen für uns machen, was wir selber nicht mehr wollen, damit wir mit einer blütenweissen Weste angeben können.

Nicht ausser Acht zu lassen ist auch der Umstand, dass die höheren Ernte- und Lagerverluste, wenn man sie nicht einfach durch Importe ausgleicht, durch Mehrproduktion im Inland ausgeglichen werden müssten. Es müsste dazu zunächst mehr Ackerland unter den Pflug genommen werden. Das wiederum bedeutet, dass mehr Land, Dünger, Wasser sowie Bodenbearbeitungsmaschinen und Arbeitskraft benötigt würde – eine Verschwendung sondergleichen. Der viel höhere Produktionsaufwand würde – um das Mass voll zu machen – selbstverständlich die Nahrungsmittel stark verteuern, was für Menschen mit kleinem Einkommen ein durchaus ernsthaftes Problem darstellt. Wenn man einen Weg in die Armut sucht, hier ist zumindest der Anfang davon.

Vielleicht hängen einige Menschen der Illusion nach, der “biologische” Landbau würde keine Pestizide benötigen, könnte es quasi “natürlich” richten. Diese Meinung ist völlig falsch. Im Biologischen Landbau werden genauso chemische Pestizide angewendet, wie im konventionellen. Ein Blick auf die Hilfstoffliste von Bio Suisse unter den Stichworten Kupfer, Neem oder Pyrethrin ist dabei sehr aufschlussreich. Überzeugen Sie sich selbst: https://shop.fibl.org/chde/mwdownloads/download/link/id/52/ (viele “Bio-Pestizide” werden übrigens im konventionellen Anbau auch verwendet, so sind etwa Fungizide auf Kupferbasis sehr kostengünstig).

Die Vorstellung, man könne auf Pflanzenschutzmittel verzichten, ist naiv. Es handelt sich um eine fahrlässige, manipulative Verbreitung von technischer Fehlinformation.

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2 thoughts on “Schweiz ohne Pestizide: Faule Äpfel”

  1. Ein sehr informatives Post. Offensichtlich hat Kupfer es in die Liga der Bioprodukte geschafft, Der Augenöffner ist aber die “Betriebsmittelliste der Hilfsstoffe für den biologischen Landbau”, Wenn das kein eindrücklicher Giftschrank ist! Mit Bio-Giften kann man die Gesundheit genauso gefährden und Gewässer genauso verschmutzen wie mit Synthetischen. Seit Paracelsus hat sich nichts verändert: Die Dosis macht das Gift.

  2. Paracelsus sagte bereits: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, dass ein Ding kein Gift sei.“
    Das wollen die Initianten nicht wahrhaben. Sie „wissen“, dass synthetische Pestizide giftig sind, ungeachtet der Exposition und der Dosis.
    Bio-Pestizide haben auch ihre Toxikologie, ihre Herkunft entgiftet sie nicht.
    Gemäss Initiativtext sollte auch Bio-Landbau betroffen werden, da es nicht vermieden werden kann, dass die dafür verwendeten Pestiziden synthetisch (durch chemische Reaktion, Fermentation oder weitere chemisch-physikalische Vorgänge) hergestellt werden.
    Wie sollten denn unsere Nahrungsmittel produziert werden?

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