Kurzsichtige Politikgewinnler: Leuthards Kuhhandel scheint sich auszuzahlen

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Laut Sonntagszeitung vom 11. Dezember 2016 («Zwist in der Industrie wegen des Atomausstiegs») kämpft Daniel Aebli, Chef des Stahlwerks Gerlafingen, für die Energiestrategie 2050. Es stört ihn, dass sich “sein Hausverband” (Swissmem) für das Referendum gegen die Energiestrategie einsetzt. Aebli sagt, ein Nein zur Energiestrategie wäre ein Nachteil für sein Unternehmen. Die Vorlage befreie grosse Stromverbraucher von der Pflicht, Geld in Energieeffizienzmassnahmen zu stecken, die kaum noch etwas bewirken. Die Energiestrategie stelle den maximal möglichen Kompromiss dar. Ins gleiche Horn blasen Roger Holzer, Leiter Stromversorgung der Lonza, und der Industrieverband Solothurn und Umgebung, zu dem Unternehmen wie DePuy Synthess, Ypsomed oder der Fahrzeugbauer Carrosserie Hess gehören.

Diese Stromgrossverbraucher müssten doch eigentlich wissen, was gut ist für die schweizerische Stromversorgung? Vielleicht.

Doch darum geht es ihnen gar nicht. Die erwähnten Unternehmen wissen vor allem, was in den nächsten paar Jahren für sie selber von Vorteil ist: die Energiestrategie 2050! Der Kompromiss besteht nämlich darin, dass sie von den enormen Kosten und Zwängen dieser Strategie vollständig ausgeklammert werden. Grossverbraucher werden ohnehin generell von der CO2-Abgabe und dem Netz-Zuschlag (KEV) befreit, wenn sie sich zu mehr Energieeffizienz verpflichten und ihren CO2-Ausstoss senken. Und Grösstverbraucher werden – wie Daniel Aebli entwaffnend ehrlich einräumt – selbst von Effizienzmassnahmen entbunden. Die Gegenleistung der Gross- und Grösstverbraucher besteht offenbar einzig und allein darin, auf Opposition gegen die Energiestrategie zu verzichten.

Scheinbar lässt sich auch Economiesuisse von der “Schonung” der Gross- und Grösstverbraucher blenden, während der Gewerbeverband offenbar darauf hofft, die Mehrkosten der nicht-verschonten KMU würden durch Mehraufträge mehr als kompensiert. Auf wenige Jahre, nämlich bis die Kernkraftwerke effektiv abgeschaltet werden müssen, können diese Kuhhändel vielleicht noch aufgehen. Auf Dauer würde die Energiestrategie 2050 aber nur noch Verlierer hinterlassen. Es ist deshalb zu hoffen, dass das Referendum gegen diese Politik zustande kommt. Dann können auch die vermeintlichen Gewinner ihre Position noch einmal – und gründlicher – überprüfen.

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4 thoughts on “Kurzsichtige Politikgewinnler: Leuthards Kuhhandel scheint sich auszuzahlen”

  1. Die Abstimmung zur Energieabgabe im Kanton Baselland hatte die selbe Ausgangslage. Die Industrievertreter die ihre Betriebe von der Energieabgabe befreien konnten, unterstützten die Energieabgabe. Die Stimmbürger haben das durchschaut und schickten die Steuer bachab.

  2. Vermutlich hat auch das Übel mit der Strommarktöffnung in der EU begonnen. Seitdem entfernt sich Europa immer mehr von einer sicheren, umweltfreundlichen und bezahlbaren Stromversorgung. Im globalen Wettwettbewerb wird das verheerende wirtschaftliche Folgen haben, wenn die EU und insbesondere Deutschland nicht bald Gegensteuer geben. Die Schweiz und insbesondere das UVEK scheinen aber leider nur diesen schlechten Beispielen folgen zu wollen, anstatt nach Amerika und China zu schauen …

  3. Vielen Dank, Herr Huber, für Ihren Kommentar.Meines Erachtens werden zu kurzsichtige Wirtschaftskapitäne in kompetitiven Märkten früher oder später durch Misserfolge “bestraft”. Greifen aber wegen der Wahlzyklen inhärent kurzsichtige Politiker in die Märkte ein, dann werden u. U. weitsichtige Unternehmer bestraft und opportunistisch-kurzsichtige belohnt – und zwar zu Lasten der Allgemeinheit. Die aktuellen energiewirtschaftlichen Probleme würde ich in diesem Sinne eher auf zuviel als zuwenig Staat zurückführen. Die Strommarktöffnung schien zuerst ein Erfolgsmodell zu werden, bis in der Förderung der Erneuerbaren zu planwirtschaftlichen Instrumenten gegriffen wurde (z.B. EEG in Deutschland).
    Mit besten Grüssen, M. S.

  4. Ich hoffe sehr, dass der neue BFE Direktor Ihre Analysen kennt und vielleicht sogar anerkennt.
    Dort soll m.E. das Carnot-Cournot Netzwerk versuchen ein offenes Ohr zu finden, damit diese Behörde unsere oft überforderten Politiker weise berät. Das scheint in China trotz viel Staat möglich sein …

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