Sehenden Auges ins Nichts

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Der Atomausstieg, vorgesehen in der Initiative und in der Energiestrategie 2050, ist ein gefährliches Experiment und ein planwirtschaftlicher Wachstumskiller.

Auch nach dem kommenden Abstimmungssonntag ist überhaupt nicht klar, wie es in der Strompolitik weitergehen soll. Bei einem Ja zur Atomausstiegsinitiative (AAI) muss das Parlament bei der sogenannten Energiestrategie 2050 (ES50) nochmals gründlich über die Bücher: Denn die Kernkraftwerke würden rasch verschwinden und ihre Funktion als «Ruhekissen» verlieren. Die unverbindlichen Wunschträume der ES50 für die Jahre 2035 oder gar 2050 müssten ebenso unverzüglich wie schonungslos durch konkrete Massnahmen (Gaskraftwerke!) für die 2020er Jahre abgelöst werden. Das verabschiedete Gesetz mit laufendem Referendum müsste angepasst werden. Darin sehe ich nebst horrenden volkswirtschaftlichen Kosten und Risiken der AAI auch eine Chance!

Kommt ein Nein, was ich nach wie vor hoffe, dann landen wir in der paradoxen Situation, dass die wichtigsten Argumente gegen die AAI – höchstens mit einer zeitlichen Verzögerung – auch gegen die ES50 Gültigkeit behalten. Der Zeitgewinn hätte den Vorteil, dass «geordneter» ausgestiegen werden könnte, aber den Nachteil, dass dank mehr Zeit zum Träumen auch mehr Fehl­investitionen realisiert würden.

Welches sind die zentralen Aspekte, die gegen die AAI und die ES50 sprechen?

  1. Beide würden die Versorgungssicherheit beim Strom gefährden. Dies, weil erstens die nicht plan- und nicht steuerbaren Sonnen- und Windkapazitäten mit ihren geringen Lastfaktoren und Winterschwächen grundsätzlich die Kernenergie nicht ersetzen können. Und weil zweitens die als Ersatzlösung verbleibenden zusätzlichen Stromimporte aus netztechnischen, marktbedingten und vor allem aus politischen Gründen nicht gesichert sind. Drittens: Geothermie und Biomasse können bis 2035 nicht zur Verfügung stehen.
  2. Wegen der Gefährdung der Versorgungssicherheit entstünden bei Annahme der AAI wie auch der ES50 weitere indirekte volkswirtschaftliche und ökologische Kosten. Die Strompreise auf Verbraucherstufe würden stark ansteigen, denn mit zunehmendem Anteil Flatterstrom steigen auch die Kosten auf der Systemebene überproportional an: Puffer-, Speicher-, Reserve- und Integrationskosten. Zudem würden die Risiken von Zwangsabschaltungen oder gar Blackouts zunehmen, weil gerade im Winter auch die Nachbarländer Strommangel haben werden.
  3. Effizienz (technische Verbesserung bei Strombedarf) und Suffizienz (freiwilliger oder erzwungener Konsumverzicht) können das Wachstum der Stromnachfrage nicht oder nur unter grossen Wachstumsverlusten verhindern. Weil erstens die geringe Energiedichte von Sonne und Wind und die überwiegend ungünstigen Wetterbedingungen den Effizienzverbesserungen bereits in der Produktion enge physikalische Grenzen setzen, die sich bei der Speicherung noch verschärfen. Und zweitens, weil das Wachstum der Bevölkerung und die Trends weg von fossilen Energieträgern bei Wärme und Verkehr die Nachfrage nach Strom erhöhen.
  4. Die Umsetzung der Initiative wie auch der ES50 hätte sozial unerwünschte Wirkungen, weil erstens nur die Empfänger der kostendeckenden Einspeisevergütung, Hausbesitzer mit Investitionsbeihilfen und auch die Netzverteiler mit den im Monopol gefangenen KMUs und Haushalten profitieren würden. Und weil zweitens wegen des Abgleitens in eine staatliche Planwirtschaft auch die zukünftigen Steuerzahler zur Kasse gebeten würden: durch als Lenkungsabgaben getarnte Steuern oder durch nicht mehr auf Kunden überwälzbare Kosten für Produktion und Speicherung.
  5. Längerfristig verursacht der Ausstieg aus der Kernenergie, aber insbesondere ein Technikverbot bei der Nuklearenergie im Rahmen von AAI oder ES50, den grössten volkswirtschaftlichen Schaden. Im Unterschied zu den unnötigen Kosten für den Ausbau von Sonnen- und Windenergie und den damit verbundenen Systemkosten hat ein Technologieverbot vor allem nicht direkt sichtbare «Verzichts- und Opportunitätskosten», die das Produktivitätswachstum indirekt bremsen. Dabei geht es nicht nur um das Verbot von zukünftigen Nukleartechnologien mit grossem ökonomischem und ökologischem Potenzial, sondern auch um den politischen Primat oder das staatliche Diktat über Forschung und Entwicklung im Allgemeinen. Dies ist einer offenen und aufgeklärten Gesellschaft unwürdig, aber auch volkswirtschaftlich extrem schädlich. Politisch vorgespurte und staatlich finanzierte Innovationen sind zum Scheitern verurteilt. Die digitale Revolution war nur deshalb möglich, weil sie technisch der Politik vorauseilte und noch -eilt. Solar- und Windenergie laufen der Politik nach – ins Chaos oder, wie Professor Hans-Werner Sinn sagte, ins «Nichts».
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