Synchronschwimmen für alle

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Jetzt, wo die Olympischen Spiele vorbei sind, darf man es sagen: Sie sind ein konsumentenfeindliches Sammelsurium teilweise obskurer Sportarten.

​Für einmal kann sich dieser Kolumnist in einer Mehrheit wähnen, nämlich als einer von all denen, die das Ende der Olympiade sehnlichst herbeigesehnt haben. Über Olympia in Rio ist schon viel gesagt und noch mehr geschrieben worden. Was kann da ein professioneller Ökonom, aber olympischer Laie noch Neues beitragen? 

In meiner Einführungsvorlesung über die Markt- und Preistheorie, die Tausende von Studenten genossen haben (oder, wie die Basler Finanzministerin Eva Herzog, «durchlitten» – sie wechselte deswegen ins Phil.-I-Studium), kam immer auch das «Multipack» vor. Darunter versteht man nicht etwa die geldgierigen, gewissen- und verantwortungslosen Manager von multinationalen Gesellschaften, sondern ein als Paket zusammengeschnürtes Angebot von verschiedenen Gütern und Dienstleistungen, das zu einem attraktiv scheinenden Gesamtpreis zu haben ist. Dieser Paketpreis ist nämlich deutlich tiefer als die Summe der Einzelpreise.

Vorsicht, Multipack!

Ein Beispiel: Ein Haarföhn kostet 150 Franken, ein Ventilator ebenso viel. Mein alter Föhn ist kaputtgegangen, und Ventilatoren interessieren mich nur an ganz wenigen Tagen im Jahr. Jetzt finde ich ein Multipack mit einem Föhn und ­einem Ventilator für 200 Franken. Warum sollte ich darauf nicht hereinfallen? Meine Zahlungsbereitschaft für den Föhn beträgt 150 Franken, aber für den Ventilator ist sie praktisch gleich null. Wenn ich den Föhn einzeln kaufe, zahle ich 150 Franken und habe einen entsprechenden Nutzen von 150 «Util», eine Art Nutzen-Einheit. Zudem verbleiben mir 150 Franken, um etwas zu erwerben, was ich wirklich brauche oder mir wünsche. Kaufe ich das Multipack, zahle ich 200 und habe ebenfalls 150 «Util» Nutzen aus dem Föhn, aber nur noch 100 Franken für etwas anderes übrig. Ich bin also klar schlechter gestellt, weil ich den ­eigentlich nicht nachgefragten Ventilator nicht wirklich nutzen oder weiterverkaufen kann. Multipacks machen allenfalls dann Sinn, wenn die gebündelten Leistungen «komplementär» sind, das heisst zusammen genutzt werden können oder gar müssen. Buche ich beispielsweise einen Flug, kann mir die Airline auch gleich ein Hotel für den Ankunfts- und Abflugtag oder ein Mietauto mit anbieten. 

Doch jetzt zur Olympiade: Diese ist ein Multipack, das immer unattraktiver wird, weil sich das Angebot systematisch auf mehr und immer exotischere Sportarten ausdehnt, die miteinander gar nichts zu tun haben und somit immer weniger Paket-Zuschauer an die Olympiade vor Ort oder vor den Fernseher locken. Gerade Randsportarten – immer aus der Sicht der Zuschauer – haben ein enormes Interesse daran, sich als olympische Disziplin einzureihen, weil sie nur so wenigstens alle vier Jahre überhaupt noch etwas vom Rampenlicht abbekommen. Ich denke hier etwa an das Synchronschwimmen oder das Pistolenschiessen. 
Ebenfalls unattraktiv ist die Aufsplitterung von Disziplinen in Untervarianten wie etwa das Schwimmen in verschiedene Stile oder das Gewichtheben in Gewichtsklassen. Man könnte ja analog auch Laufdisziplinen wie 100 Meter bis 10 000 Meter rückwärts laufen lassen oder die Kugelstösser in verschiedene Gewichtsklassen aufteilen. 
Ganz anders sieht es bei den Top-Sportarten wie Fussball, Tennis, Radfahren, Golf oder Leichtathletik aus. Diese haben längst Orga­nisationen und Events geschaffen, die als Einzelprodukte Weltgeltung erlangt haben, und sind deshalb an ­einem Multipack wie der Olympiade immer weniger interessiert. ­Denken wir etwa an die Champions ­League, die Grand Slams wie die US Open, die Tour de France oder die grossen Leichtathletik-­Meetings. Hinzu kommt, dass es bei diesen ­Spitzen-Events weniger um Nationen als vielmehr um Einzelstars oder international zusammengesetzte Klubs geht. Diese Sportarten konzentrieren sich zudem immer weniger um die interne Konkurrenz, sondern um den Wettbewerb gegen die anderen Sportarten. 
In den USA ist das gut zu beobachten. Football, Baseball und Basketball haben schon eine umkämpfte interne Meisterschaft, aber die wirklichen Konkurrenten sind die anderen Ballspiel-Arten. Eine Dominanz wie jene durch den FCB im Schweizer Fussball wäre dabei schädlich, weshalb die Ligen Mechanismen entwickelt haben, um die schwächeren Mannschaften zu stärken. Für die Olympiade schlecht ist der fehlende und schrumpfende Anreiz dieser Magnet-Sportarten, sich in ein Multipack mit Turmspringen oder Synchronschwimmen einzuordnen. Die Olympiade wird scheitern, weil sie ein unverdauliches und unverkäufliches Multipack geworden ist.
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