1:0 für Singapur im Sustainability Cup

Die energetische Nutzung von Kehricht mittels Methangewinnung aus Deponien oder mittels Kehrichtverbrennungsanlagen ist beispielsweise in der Schweiz seit Jahrzehnten Stand der Technik. Aber das SciAm hat einen Punkt: Städte sind eine ideale Lebensform zur Verkleinerung des Ressourcenverbrauchs und der Umweltverschmutzung. Grossstadtmenschen bauen dreidimensional in die Tiefe und in die Höhe und brauchen so weniger Land. Sie benützen öffentliche Verkehrsmittel und besitzen deutlich weniger Personenwagen. Anders als die kürzlich fertiggestellte Transjurane weisen alle Verkehrssysteme und die gesamte Ver- und Entsorgungsstruktur eine sehr hohe Auslastung auf. Abfälle aller Art können rationell verwertet oder entsorgt werden. Und so weiter, uns so fort …

Der Stadtstaat Singapur ist anderen Städten voraus. Mit der Vision «Stadt im Garten» bemüht sich Singapur beispielsweise seit einigen Jahren ernsthaft um die Natur (Abbildung 1). Dabei geht es jedoch nicht um die Wiederbelebung der Gartenstadtbewegung aus dem letzten Jahrhundert. Urs Gantner von Bioterra hat die Vision kürzlich in einem Essay unter dem Titel «Verdichten mit «Greening», oder was wir von Singapur lernen können» so zusammengefasst:

Singapur als Stadtstaat mit einer hohen Bevölkerungsdichte will der Bevölkerung, den Touristen und der Wirtschaft eine lebenswerte und lebendige City bieten und hat die Vision «Stadt im Garten» entwickelt. In dieser sind Pärke, Naturschutzgebiete, Wald, Parkverbindungen, Baumpflege, botanische Gärten, das horizontale und vertikale Begrünen von Gebäuden wie auch das Engagement der Bevölkerung von besonderer Bedeutung. Singapur setzt auf geschlossene Bauweisen sowie «Greening» und Biodiversität. Seien wir bereit, vom Beispiel Singapur zu lernen! Denn auch bei uns ist der Boden ein begrenztes Gut. Um das immer knapper werdende Kulturland zu schützen, sollten wir auf weitere Baulanderschliessungen verzichten und uns von den ausufernden Siedlungsteppichen lösen. Bauen wir vermehrt Stadtquartiere mit Mischnutzungen und grösserer Biodiversität! Lassen wir neue gemeinschaftliche Gartenformen zu. Urbane Gärten im weitesten Sinn – vom Privatgarten über den Gemeinschaftsgarten und Gartenkooperativen bis hin zum Park und botanischen Garten – sind Teil unseres Lebensraums. Die Stadt soll unser Garten sein.

Mit an vorderster Front übrigens zwei Programme der ETH Zürich für eine urbane Zukunft, welche nachhaltig ist und sicher funktioniert.

Abbildung 1: Ein «junger» Superbaum im Gardens by the Bay in Singapur.


Das Zusammenleben der vielen Menschen in einer Grossstadt ist alles andere als einfach und schafft viele Probleme wie Immissionen. Grossstädte haben aber auch Vorteile, sonst gäbe es sie ja nicht. Gerade wegen den Umweltproblemen ist in Grossstädten erstens das Bedürfnis für Verbesserungen der natürlichen Umwelt gross. Zweitens ist es zum Glück nirgendswo so einfach, sich zu verbessern. Warum? Die hohe Dichte an Menschen macht auch eine hohe Arbeitsteilung möglich. Hand in Hand mit der Spezialisierung geht das Tauschen der Güter und Dienstleistungen. Was dann folgt(e) hat Matt Ridley in seinem Buch «Wenn Ideen Sex haben» anschaulich beschrieben. Bereits etwas früher, nämlich 1776, hat Adam Smith die drei Vorteile der Spezialisierung in «Reichtum der Völker» auf den Punkt gebracht:

Der grosse Anstieg der Produktionsleistung, die infolge der Arbeitsteilung […] erbracht werden kann, ist auf drei verschiedene Umstände zurückzuführen: erstens auf die Steigerung der Fertigkeit jedes einzelnen Arbeiters; zweitens auf die Ersparnis an Zeit, die gewöhnlich beim Wechsel von einer Art Arbeit zur anderen verlorengeht; und letztens auf die Erfindung einer grossen Anzahl von Maschinen, die die Arbeit erleichtern und verkürzen und es ermöglichen, dass ein Mann die Arbeit von vielen tut.

Spezialisierung ist so gewissermassen ein doppeltes Positivsummenspiel: Zuerst gewinnen wir an Produktivität und später geht es uns wegen den vielen Ideen, welche ständig von neuem kombiniert werden, immer besser.


Ein Land, welches aufgrund seiner geringen ländlichen Bevölkerungsdichte mit Spezialisierung und Innovation zu kämpfen hat, ist Neuseeland. Dies äussert sich – nicht zuletzt und entgegen allen schönen Reiseprospekten – in der Landnutzung. Seit der Ankunft der ersten Maori vor etwa 700 Jahren ist die Naturgeschichte den beiden grossen Inseln gespickt mit Tragödien. Jäger, Brände, Kriege, Kahlschläge und von den Engländern eingeführte Pflanzen- und Tierarten haben die Natur Neuseelands grundlegend verändert und zum Beispiel den einheimischen Wald auf einen Drittel der ursprünglichen Fläche zurückgedrängt. Das hätte auch das schöne neue Wappen mit der Nationalpflanze, dem Silberfarn, nicht beschönigen können. Die Baumfarne sind ja tatsächlich für europäische Augen spektakulär (übrigens nicht zu verwechseln mit anderen Urbäumen wie den Palmfarnen [engl.: Cycad]).

Nun eben, dieser einheimische Wald bedeckt jetzt noch etwa einen Viertel des Landes und ist zum überwiegenden Teil als Naturschutzgebiet ausgeschieden und gut geschützt. Holz wird aber trotzdem produziert in Neuseeland und dies nicht zu knapp. Auf einer Fläche, welche grösser ist als die ganze Schweizer Waldfläche, hat Neuseeland vor 100 Jahren mit der Pflanzung und Bewirtschaftung von exotischem Wald begonnen. Die Plantagenwirtschaft ist archaisch. Rund 25–30 Jahre nach der Pflanzung wird Berg um Berg kahlgeschlagen. Anschliessend wird der Abraum und der Boden mit Bulldozern zusammengestossen – die anschliessende Boden- und Gesteinserosion ist wegen den hohen Niederschlagsmengen örtlich teils immens und lässt wenig fruchtbare Rohböden zurück (Abbildung 2–4). Clou an der ganzen Sache ist jedoch, dass 90% (!) der Plantagen aus der gleichen Baumart, der kalifornischen Monterey-Kiefer, bestehen. Warum niemand auf die Idee kam, nicht alle Eier in einen Korb zu legen, bleibt vage. Dabei hätte es für die Risikodiversifizierung mit Sicherheit mehrere geeignete und auch schnellwachsende Eukalyptus-Arten im nahen Australien gegeben. Nachteilig an einer solchen Holzproduktion ist aber auch, dass die Plantagenwälder wenig Nutzen für Bevölkerung und Touristen stiften, die Landschaft trivialisieren und für Pflanzen und Tiere wenig zu bieten haben.

Abbildung 2–4: Der alltägliche Waldwahnsinn Neuseelands in den Bergen von Nelson.


Neuseeland hat im America’s Cup gezeigt, dass sie Segelschiffe bauen und fahren können. Das monofunktionale Landmanagement Neuseelands hingegen ist Ausdruck einer geringen Dichte von Menschen und Ideen: «Hier perfekte Schutzgebiete, dort stark risikobehaftete Nutzgebiete» ist im besten Fall bedauernswert, im schlechtesten Fall eine neuseeländische Tragödie mehr und ganz sicher keine Blaupause für andere Regionen und Länder. Für neue Ideen im Umgang mit Natur und Umwelt setzen wir lieber auf die Innovationskraft der vielen Menschen, welche in Singapur und anderen Grossstädten wohnen. Damit ist wohl auch klar, was ich von Paul R. Ehrlich, dem Club of Rome, Neomalthusianern und all den Überbevölkerungsthesen generell halte.

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