Wind- und Sonnenenergie reichen nicht

Versorgungssicherhei_20180918-205633_1.pngGastbeitrag zur Energiewende in der Schweiz in der «Schweiz am Wochenende» vom 15. September 2018von Bernd Schips, Silvio Borner, Emanuel Höhener und …

Versorgungssicherheit – vom politischen Kurzschluss zum Blackout. Schips, Borner (Herausgeber), CarnotCournot Verlag, Liestal, 2018

Gastbeitrag zur Energiewende in der Schweiz
in der «Schweiz am Wochenende» vom 15. September 2018

von Bernd Schips, Silvio Borner, Emanuel Höhener und Markus O. Häring

Volksentscheide sind zu respektieren, wenn sie aber auf krassen Fehlinformationen basieren, müssen sie auch kritisiert werden: Das ist beim Energiegesetz (EnG) der Fall, das die Stimmbürger am 27. Mai 2017 gutgeheissen haben. Mit diesem Gesetz soll die Energiestrategie 2050 des Bundesrats (ES 2050) umgesetzt werden. Die Komplexität der Energiepolitik machte es den Befürwortern leicht, für Wunschvorstellungen Zustimmung zu finden und Warnungen von Experten über die Risiken für die Stromversorgung in der Zukunft unter den Tisch zu wischen.

Bereits ein Jahr nach Annahme des EnG zeigen sich die naturwissenschaftlichen und ökonomischen Schranken der ES 2050. Elf Experten – Geologen, Ingenieure, Physiker, Chemiker und Ökonomen – zeigen in einer Studie mit wissenschaftlich fundierten und für jedermann verständlichen Argumenten, warum die erhoffte Energiewende scheitern wird.

In der Studie wird erklärt, dass – aufgrund physikalischer Gesetze und ökonomischer Überlegungen – Strom aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen niemals den bisher von Kernkraftwerken (KKW) produzierten Strom ersetzen kann. Das Potenzial der Wasserkraftwerke ist praktisch ausgeschöpft. Von Biomasse- und geothermischen Anlagen sind in den nächsten Jahrzehnten keine nennenswerten Beiträge zur Stromversorgung zu erwarten.

Politische Elite und Bevölkerung wünschen sich für die Zukunft einen Umbau der Stromversorgung. Mehrheitlich wird für die Stromerzeugung mit Photovoltaikanlagen plädiert. Windkraftanlagen und Gaskraftwerke erhalten deutlich weniger Zustimmung. Stromimporte zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit finden in der Bevölkerung noch weniger Unterstützung als Kernkraftwerke.

Stromerzeugung mit Sonne und Wind wird in den aus technischer Sicht erforderlichen Grössenordnungen niemals zu realisieren und marktfähig sein. Das liegt an drei physikalischen «Geburtsfehlern» und einem ökonomischen Denk- oder Rechenfehler. 

Der erste Geburtsfehler ist die sehr geringe Leistungsdichte (Leistung in Watt, dividiert durch die zur Stromerzeugung benötigte Fläche) von Sonnenstrahlen und Wind, die gegenüber jeglichem technischen Fortschritt immun ist. Die Leistungsdichte anderer Energieträger – wie von Kohle, Öl und Kernkraft – ist um deutlich mehr als den Faktor 1000 grösser. Diese Dichtedifferenzen schlagen sich auf die zur Stromerzeugung benötigten Nutzflächen nieder. Photovoltaik auf Dächern verdrängt zwar keine anderweitig nutzbare Fläche, weist aber auch eine wesentlich geringere Leistungsdichte als Windkraft auf.
Wird aber berücksichtigt, dass in Windparks grosse Abstände einzuhalten sind, sinkt auch die Leistungsdichte, und die Bodenbeanspruchung nimmt zu. Um das in der ES 2050 durch Windkraftanlagen anvisierte Leistungsziel von 4,26 TWh auf Jahresbasis zu garantieren, müssten in der Schweiz ca. 800 Windturbinen mit rund 3,6 MW Leistung aufgestellt werden. Der Rotordurchmesser solcher Turbinen beträgt rund 140 Meter und ihre Nabenhöhe je nach Aufstellort zwischen 80 und 160 Metern. Zur Aufstellung ca. 300 Quadratkilometer freie Flächen verschandelt.

Der zweite Geburtsfehler der Stromerzeugung mit Sonne und Wind ist deren wetterbedingte Fluktuation (Flatterstrom). Da Windflauten praktisch europaweit auftreten, kann der gesamte Windstrom im europaweiten Verbund auch nur 4 Prozent der installierten Nennleistung garantieren, was einen praktisch hundert prozentigen Back-up mit plan- und steuerbaren Öl-, Kohle- oder Erdgaskraftwerken erfordert. Im Falle von Photovoltaikanlagen wirken sich Dunkelflauten noch krasser auf die benötigten Back-up-Kapazitäten aus. Für die saisonale Speicherung ist keine praktikable Lösung in Sicht.

Der dritte Geburtsfehler der Stromerzeugung mit Sonne und Wind ist der Erntefaktor. Damit wird der Investitionsaufwand über die ganze Lebensdauer hinweg mit den Erträgen verglichen, aber nicht in Franken, sondern in physikalischen Energieeinheiten (kWh). Ist diese Relation Ideiner als 1, müssen in diese Stromerzeugungsanlagen mehr kWh investiert werden als damit erzeugt werden können. Gemäss einer OECD-Studie sollte aus volkswirtschaftlicher Sicht der Erntefaktor einer Stromerzeugungsanlage mindestens den Wert 7 erreichen. Photovoltaik- und Windkraftanlagen schaffen dies – im Gegensatz zu Gas-, Kohle- und Wasserkraftwerken – jedoch ganz klar nicht.

Die Argumentation der Befürworter der ES 2050 mit den weiter sinkenden Kosten für Photovoltaik- und Windkraftanlagen greift zu kurz. Zu den geringen Leistungsdichten von Sonne und Wind kommt hinzu, dass eine steigende fluktuierende und nicht steuerbare Einspeisung von Flatterstrom zu hohen zusätzlichen Kosten führt. Bei einem Flatterstrom-Anteil von ca. 30 Prozent an der Stromerzeugung wird es aus technischen und wirtschaftlichen Gründen bereits äusserst kritisch. Die volkswirtschaftlich relevanten Kosten sind eben nicht die Produktionskosten der zur Stromerzeugung eingesetzten Anlage, sondern die Kosten für die Verbraucher auf der Netzebene. Das Netz muss zur Vermeidung von Unterbrüchen jahrein, jahraus sekundengenau im Gleichgewicht sein. Die fluktuationsbedingten Kosten der Back-up-Kraftwerke, Speicher-, Reserve- und Netzkapazitäten müssen daher den Verursachern angelastet und in die Produktionskosten eingerechnet werden.

Beispiele aus Deutschland und Dänemark zeigen, dass die Strompreise mit steigendem Anteil von Wind- und Solarstrom deutlich ansteigen. Nur mit der Klimapolitik widersprechenden Gaskraftwerken und mit Stromimporten könnten die Versorgungslücken nach Stilllegung der KKW noch einigermassen wirtschaftlich vertretbar geschlossen werden. Ohne eigene Gaskraftwerke wird jedoch die zur Verringerung der Auslandsabhängigkeit angepriesene ES 2050 zu einer politisch noch im luftleeren Raum schwebenden Importstrategie.

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8 thoughts on “Wind- und Sonnenenergie reichen nicht”

  1. Und nachher verschlechtert sie sich schrittweise bei jeder KKW Abschaltung. Das wird das BFE in spätestens 5 Jahren zugeben müssen. Die ElCom hat es wenigstens erkannt, Carlo Schmid hat es mir persönlich am letzten Freitag bestätigt. Der Nachfolger von der sonnigen Doris wird es auch problemlos verkünden können und die Notwendigkeit von Gaskraftwerken als “Übergangslösung” bestätigen …

  2. Die Autoren schreiben: «Stromerzeugung mit Sonne und Wind wird in den aus technischer Sicht erforderlichen Grössenordnungen niemals zu realisieren und marktfähig sein. Das liegt an drei physikalischen «Geburtsfehlern» und einem ökonomischen Denk- oder Rechenfehler.» Dem steht u.a. folgende Meldung aus Deutschland gegenüber: «Die Integration Erneuerbarer Energie in den Markt funktioniert. Das EEG trägt in seiner Funktionsweise dazu bei, sagt Peter Röttgen, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). Im August hatte eine vom BEE vorgestellte PV-Anlage eine gleitende Marktprämie in Höhe von null Cent.» Die Photovoltaik-Anlage in Wittstock hatte bei einer Ausschreibung einen Zuschlag in Höhe von 5,42 Cent pro Kilowattstunde (Zuschlagswert = anzulegender Wert) erhalten. Der Marktwert für Photovoltaik-Anlagen betrug im Monat August 5,595 Cent pro Kilowattstunde.

    Das heißt, diese Anlage hat im August kein Geld aus dem EEG-Konto erhalten. Der BEE erwartet, dass dies für Photovoltaik- und künftig auch für Windenergieanlagen immer öfter der Fall sein wird. Fairere Marktpreise im Kontext einer CO2-Bepreisung tragen einen wesentlichen Teil dazu bei, die Vermarktung für Erneuerbare zu erleichtern. »

  3. auch wenn PV und Windturbinen Strom produzieren für weniger als 5 Cent/kWh braucht es dazu enorme Speicherkapazitäten und/oder Reservekraftwerke sowie einen Ausbau der Stromnetze, um die Stromversorgung im Winter zu gewährleisten. Der weitere Ausbau der PV führt sonst zu einem Stromflut im Sommer und zu Stromabschaltungen im Winter ….

  4. Ich bin im Prinzip mit Philippe Huber einverstanden, dass der Ausbau von PV und Windturbinen «enorme Speicherkapazitäten und/oder Reservekraftwerke» braucht – nur ist das für den Fall eines anderen energiepolitischen Weges ebenso. Man denke nur an die Kosten neuer AKW….. (inkl. deren Beseitigung).

  5. Die Energiestrategie hat aus meiner Sicht auch nicht den Anspruch alle Probleme zu lösen, sondern einen Weg zu zeigen. Und dieser wird anspruchsvoll und voller Hürden, aber die Gegner konnten bisher auch keine echten Alternativen vorschlagen. Kritisieren ist auch immer einfacher als liefern …

  6. Wie würde das beispielsweise bei Gaskraftwerken konkret aussehen, die können ja beliebig zugeschaltet oder abgekoppelt werden.
    Investitionen in die Produktionskapazität und in die Speicherkapazität sind verschiedene Kategorien, die m.E. klar zu trennen sind, damit die Kosten für die Speicherung der richtigen Ursache zugeordnet werden können.

  7. …. die Alternativen zu Wind- und Solarkraft. Und letztere werden als einzige immer billiger – während fossile Energien wegen der CO2-Folgekosten und nukleare wegen der Risiken und Entsorgung immer teurer werden. Und solche Kosten müssen eben auch in die Rechnung der Gesamtkosten einbezogen werden.

  8. sollten die Preise die vollen Kosten spiegeln, das ist zugegebenerweise schwierig, aber wir sind noch meilenweit davon entfernt. Die Studie über die Versorgungssicherheit enthält viel Material um konstruktiv über diese Fragen zu diskutieren.
    Neben der Tatsache, dass die Produktionsanlagen von Alternativenergien billiger werden, gehören sicher die Verfügbarkeit der Speicher und die damit zusammenhängenden ökologischen Folgen zu den zu diskutierenden Fragen..

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