Vor 50 Jahren: Wie entsteht Eigentum an Umwelt?

Die Pfeiler der Umweltökonomik sind viel älter, wie der norwegische Wirtschaftstheoretiker Agnar Sandmo (2015) kürzlich aufzeigte. Condorcet, Smith, Malthus, Ricardo, Mill, Jevons, Pigou oder Hotelling sind einige der Vordenker, welche Sandmo ins Gespräch bringt. Ich möchte heute den Scheinwerfer auf zwei «neuere» Arbeiten werfen, welche dieses Jahr 50 Jahre alt wurden.

John Krutilla: Existenzwert der Natur

Die eine einflussreiche Arbeit stammt von John Krutilla (1967) und befasst sich mit Naturschutzfragen. Eingangs zitiert Krutilla Pigou mit den Worten «It is the clear duty of Government […] to defend, the exhaustible natural resources of the country from rash and reckless spoliation». Krutilla erklärt in der Folge, dass dank dem technischen Fortschritt der Verbrauch von natürlichen Ressourcen vermutlich zu keinen Engpässen bzw. fehlender Nachhaltigkeit in der industriellen Produktion führen wird. Hingegen befürchtet er durch die Benutzung der Landschaft immer grössere Umweltschäden und fragt sich, wie ökonomische Entscheide über Ressourcennutzung verbessert werden können.

Aufbauend auf dem drei Jahre früher durch Weisbrod entwickelten Optionswert führt Krutilla anschliessend den Existenzwert in die Literatur ein: «The option value may have only a sentimental basis in some instances. Consider the rallying to preserve the historical relic, ‘Old Ironsides.’ There are many persons who obtain satisfaction from mere knowledge that part of wilderness North America remains even though they would be appalled by the prospect of being exposed to it. Subscriptions to World Wildlife Fund are of the same character. The funds are employed predominantly in an effort to save exotic species in remote areas of the world which few subscribers to the Fund ever hope to see. An option demand may exist therefore not only among persons currently and prospectively active in the market for the object of the demand, but among others who place a value on the mere existence of biological and/or geomorphological variety and its widespread distribution.» (Krutilla 1967:781) Existenzwerte sind vom direkten oder indirekten Gebrauchsnutzen unabhängige Wertschätzungen von Arten, Ökosystemen und ganzen Landschaften, welche einzig und alleine aufgrund des Wissens über die betreffenden Objekte oder Systeme entstehen. Absicht von Krutilla war es, den Wert der Natur zu messen, um ihr so in der Politik mehr Gewicht zu verschaffen. Als Mitbegründer von Resources for the Future musste er dann aber 30 Jahre warten, bis dieses Forschungsprogramm mit einer grossen Publikation in “Science” einen ersten Höhepunkt verzeichnen konnte. Costanza et al (1997) schätzten übrigens den Wert der weltweiten Naturleistungen auf 33 Billionen USD pro Jahr.

Obschon noch heute ganze Heerscharen von Ökonomen von monetären Umweltbewertungen aller Art leben, sind Monetarisierungen und insbesondere Existenzwerte methodisch höchst umstritten und mittlerweilen sogar in den eigenen Reihen unter Druck geraten. Der Umweltökonom und -theologe Robert Nelson (1997) bezeichnet Existenzwerte als Medizin zur Rettung der gesellschaftlichen Relevanz der Ökonomik, welche letztlich schlimmer als die Krankheit selbst sei. Und der Umweltphilosoph Mark Sagoff (2008) geht sogar soweit und behauptet, dass die Natur keinen ökonomischen Wert habe und der Begriff «ökonomischer Wert» aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes kontraproduktiv sei.

Harold Demsetz: Die Evolution von Verfügungsrechten

Harold Demsetz hat eine Reihe ganz anderer Debatten in den 1960er und 1970er-Jahren angestossen und gehört ins ABC der Verfügungsrechtsökonomen (Alchian, Barzel, Coase, Demsetz, …). Bekannt sind etwa seine «Nirwana-Fallacy» oder die zusammen mit Armen Alchian entwickelte Teamproduktion von Firmen. Immer noch ungelöst ist die Debatte um die «Demsetz Thesis», die seither auch so bekannte Namen wie Terry Anderson, PJ Hill, Gary Libecap, Elinor Ostrom oder Douglass North beschäftigt hat.

Demsetz (1967) stellt sich die Frage, wie Eigentumsrechte entstehen. Dazu stellt er die folgenden These auf: «Property rights develop to internalize externalities when the gains of internalization become larger than the cost of internalization. Increased internalization, in the main, results from changes in economic values, changes which stem from the development of new technology and the opening of new markets, changes to which old property rights are poorly attuned.» (Demsetz 1967:350)

Die Idee von Demsetz ist vergleichsweise einfach: Private Verfügungsrechte entstehen, wenn ihr Nutzen für den potenziellen Rechtsinhaber höher ist als die Kosten. Kosten erwachsen aus der Abgrenzung, Überwachung und Verteidigung einer Ressource. Nutzen ergeben sich durch die schonungsvollere und effizientere Nutzung einer Ressource. Relevant ist dies jedoch nur, wenn überhaupt von Nutzen gesprochen werden kann – sprich die Ressource knapp ist. Seine These erläutert Demsetz anhand der Montagnais, einer Innu-Gruppe nordamerikanischer Indianer, welche auf der Labrador-Halbinsel wohnen (Québec). Anthropologen stellten fest, dass mit dem Aufkommen des Pelzhandels im 18. Jahrhundert die Innu Biberpopulationen einzelnen Familien zuordneten und die freie Jagd auf Biber nicht mehr erlaubt war.

Soweit Demsetz’s These. Sie wurde in der Zwischenzeit viele Male bestätigt, so etwa für Silber- und Gold-Schürfrechte in Kalifornien und Nevada oder für Wasserrechte im amerikanischen Westen. Die Krux mit der Demsetz-These liegt aber darin, dass sie auch häufig verworfen werden musste. So stellten Forscher immer und immer wieder fest, dass mit dem Ansteigen des Werts einer Ressource keineswegs immer auch geordnete Verfügungsrechte über die Ressource entstehen. Beispielsweise hat Libecap (1989) in umfangreichen historischen Studien von Ölfeldern gezeigt, dass gerade auch sehr wertvolle Ressourcen wegen Verteilungskonflikten in wenig effizienten Rechtezuteilungen verharren.

Damit bestehen heute einzig erste Vorstellungen darüber, wie Verfügungsrechte entstehen und sich wandeln – Demsetz selber hat seinen Beitrag ja auch mit dem Wort «Towards» begonnen. Das Thema bleibt jedenfalls topaktuell und bildet einen Arbeitsschwerpunkt des bekannten Property and Environment Research Center in Montana (USA).

Für das Management von natürlichen Ressourcen ist ein gutes Verständnis des Wandels des Verfügungsrechte von zentraler Bedeutung. Dafür können wir Demsetz danken, der die Debatte vor 50 Jahren angestossen hat.


Referenzen

  • Costanza R et al (1997) The value of the world’s ecosystem services and natural capital. Nature 387: 253–260.
  • Demsetz H (1967) Toward a theory of property rights. Am Econ Rev (Papers & Proc) 57: 347–359.
  • Krutilla JV (1967) Conservation reconsidered. Am Econ Rev 57: 777–786.
  • Libecap GD (1989) Contracting for property rights. Cambridge: Cambridge Univ Press. 132 p.
  • Nelson RH (1997) Does «existence value» exist? Environmental economics encroaches on religion. Independent Rev 1: 499–521.
  • Sagoff M (2008) The economy of the earth: philosophy, law, and the environment. Cambridge: Cambridge Univ Press. 2nd ed. 266 p.
  • Sandmo A (2015) The early history of environmental economics. Rev Env Econ Policy 9: 43–63.
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