Die «Pferdefüsse» des flatterhaften Stroms berücksichtigen!

SATW.pngvon Hans Fuchs, Dr. sc. techn. ETHIm Interview im Magazin «energeia plus» des Bundesamts für Energie (BFE) vom 25. Mai 2018 unter dem Titel «Die Solar…

Hans Fuchs hat sich in seiner beruflichen Laufbahn mit fast allen Aspekten fast aller Stromerzeugungstechniken befasst. Er war zuletzt Leiter thermische Produktion der ATEL (heute Alpiq).

von Hans Fuchs, Dr. sc. techn. ETH

Im Interview im Magazin «energeia plus» des Bundesamts für Energie (BFE) vom 25. Mai 2018 unter dem Titel «Die Solarenergie wird marktreif» meint BFE-Vizedirektor Daniel Büchel, es «freue ihn sehr», dass die SATW-Studie «Stromproduktion: Erneuerbare sind spitze» hervorragende Erntefaktoren für Photovoltaik zeige. Damit werde die «veraltete Annahme» widerlegt, dass die PV-Anlagen mehr Energie brauchen als sie schliesslich produzieren. Dank Entwicklungen und weiterem Potenzial könnten Erntefaktoren von 10 bis 14 erreicht werden.

Büchel äussert sich nicht weiter zur SATW-Studie, auch nicht zu einer ihrer Schlussfolgerungen, nämlich Wind- und Sonnenstrom seien schon jetzt geeignete Optionen in der Schweiz; Befürchtungen, der Kernenergieausstieg würden die Energieeffizienz und die Prosperität der Schweiz gefährden, schienen deshalb unbegründet.

Selbst wenn die SATW-Studie makellos wäre, könnte man diese Schlussfolgerung nur als reichlich vollmundig bezeichnen. Warum? Die SATW-Studie versucht, die Erntefaktoren (Verhältnis von erzeugtem Strom zur insgesamt dafür eingesetzten Energie) für verschiedene Stromerzeugungsarten vergleichend zu ermitteln. Da man aber andere wichtige Eigenschaften wie Kosten oder Umweltauswirkungen nicht untersuchte, hätte man sich bei Aussagen zur künftigen Prosperität zurückhalten müssen!

Was sind denn die Makel der Studie?
Es sind deren leider viele:

Bevorzugte/parteiische Behandlung der erneuerbaren Energien

Bei den «klassischen» Energien Kohle, Gas und Kernenergie werden meist niedrige, veraltete Werte für Wirkungsgrade, Lebensdauer etc. eingesetzt, und sie werden als stagnierend dargestellt. Genau das Gegenteil geschieht bei den erneuerbaren Energien – da bedient man sich verzückt des Besterhältlichen und aus der bisherigen Entwicklung werden steile Lernkurven extrapoliert, ohne sich auch nur zu fragen, ob naturgesetzlich-technische Grenzen bremsend wirken könnten.

Dass die Autoren bei den Wasserkraftwerken den Wasserzins und die lokalen Stromvergünstigungen als Entgelt für die exklusive Nutzung ganzer Landstriche einfach vergessen, hat wohl zu den fast astronomisch hohen Erntefaktoren beigetragen.

Weigerung, die «Pferdefüsse» der neuen erneuerbaren Energien zu berücksichtigen

Die Autoren der SATW-Studie brüsten sich damit, die Erntefaktoren der verschiedenen Stromerzeugungsarten «einheitlich» ermittelt zu haben und damit «Äpfel mit Äpfeln» zu vergleichen. Sie weigern sich aber explizit, den erzeugten Strom in einer und derselben, für die Stromkunden nützlichen Form zu vergleichen. Sie tun so, als ob der zufällig irgendwo im Niederspannungsnetz anfallende Solarstrom gleich viel wert sei wie planbarer/abrufbarer Strom aus Kohle, Kernenergie oder Wasser auf Mittel- oder Hochspannungsniveau, der damit einem grösseren Teil der Gemeinschaft dienlich sein kann. Der Grund für die Weigerung ist offensichtlich: Die Stromkunden wollen dann Strom, wenn sie ihn benötigen – solchen können schwankende, «flatterhafte» Quellen wie Wind und Sonne aber ohne zusätzliche Infrastrukturen, namentlich Stromspeicher, Ersatzstrom (Backup), Netzfilter (gegen «Geflacker») und Beiträge zur Frequenz-und Spannungshaltung nicht liefern. All das bedeutet aber hohe energetische und finanzielle Zusatzinvestitionen. Werden diese berücksichtigt, sinken die Erntefaktoren für Wind und Sonne stark. Es gibt dazu namhafte Publikationen, die aber tunlichst ignoriert wurden, weil sie den Nutzen insbesondere der Photovoltaik für schweizerische Verhältnisse in Frage stellen. Und eine Entschädigung der klassischen Energien für die durch den Einspeisevorrang der «Flatterhaften» erlittenen Einbussen ist dabei noch nicht einmal andiskutiert…

Doch zurück zum Interview mit Daniel Büchel: Die eben angedeuteten «Pferdefüsse» der Photovoltaik werden immerhin indirekt angesprochen als Frage nach der «Integration» der Solarenergie ins Energieversorgungssystem. Büchel sieht Fortschritte und Entwicklungen bei Eigenverbrauchs-gemeinschaften und generell beim Management von Energieflüssen – aber reicht das? Ziel des BFE sei, dass die «Energie aus Photovoltaik marktreif wird [nach dem Titel des Interviews hätte man meinen können, sie sei es schon?!] und irgendwann ohne Unterstützung, ohne Subventionen überleben und sich im Markt etablieren kann.» Da scheint Büchel näher bei der Realität zu stehen als die SATW-Autoren. Ob allerdings die blosse Hoffnung auf ein «Irgendwann» die künftige Stromversorgung der Schweiz sichern kann, erscheint unsicher. Die ETH und die SATW täten wohl gut daran, «Lobhudelstudien» für die Energiestrategie 2050 sofort zu stoppen und stattdessen dringlich zu klären, wie man die absehbar negativen Folgen dieser «Strategie» begrenzen könnte.

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1 thought on “Die «Pferdefüsse» des flatterhaften Stroms berücksichtigen!”

  1. Akademische Studien in Ehren, aber wenn sie, wie die SATW-Studie von Jungforschern für Energiepolitik, ohne jegliche Praxiserfahrung geschrieben werden, wirds problematisch. Wann lernt die Bundesverwaltung wohl wieder auf erfahrene Praktiker, wie zum Beispiel einen Hans Fuchs, zu hören?

    Mit meiner Bemerkung vernehme ich jetzt schon das Totschlagargument, dass man sich halt nicht die Meinung von Experten „alter Technologien“ einholen will. Grosse Physiker wie Newton, Tesla und Carnot sind sogar noch viel älter, aber deren Erkenntnisse können auch die smartesten Zukunftsdenker nicht aushebeln.

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