Digitales Geschwafel

Geschwafel.pngIn diesem Jahr ist keine Woche vergangen, in der nicht mindestens eine Einladung zu einer Tagung zum Thema Digitalisierung über den Bildschirm geflimm…

In diesem Jahr ist keine Woche vergangen, in der nicht mindestens eine Einladung zu einer Tagung zum Thema Digitalisierung über den Bildschirm geflimmert ist. Hingegangen bin ich nirgendwo, weil schon in den Ankündigungen Geschwafel dominierte. Die vorangegangenen technischen Revolutionen mit Dampfmaschine, Verbrennungsmotor oder Elektrifizierung kamen ohne solche Begleitmusik über die Runden und hatten radikalere Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität.

Am «Digitaltag» haben sich gleich zwei Mitglieder des Bundesrates in Szene gesetzt. Dabei sollte die Politik erst mal vor der eigenen Türe kehren, denn sie hinkt klar hinterher. Kürzlich hatte ich wieder einmal das Vergnügen, die Fahrtauglichkeit fürs Auto zu beweisen. Der Arzt musste den Test ausdrucken und per Post an die Polizei senden, die mich aufbot, einen neuen Ausweis mit Brillenpflicht abzuholen und dafür ein Passbild mitzubringen. Oder nehmen wir die Poststellen, die möglichst alle erhalten werden sollen, obwohl sie immer weniger frequentiert werden. Die Postkutschen-Stellen sind ja mittlerweile längst ganz verschwunden. Und die Einzahlungsbüchlein werden wohl nächstens im Museum landen. Personen- und Lastwagen sollen bald ohne Lenker herumschwirren, aber Tramchauffeure bleiben auf ewige Zeiten unverzichtbar. Die ach so fortschrittliche Linke bremst knallhart, sobald es um die Digitalisierung der Verwaltung oder der öffentlichen Unternehmen geht. Und der Bundesrat will eine digitale ID an Raiffeisen & Co. delegieren, obwohl das in der ausschliesslichen Verantwortung des Staates liegt.

Besonders kritisch wird die politische Ausbremsung der Digitalisierung jedoch im IT- und Kommunikationsbereich selbst. Unter der schönen Worthülse NETZNEUTRALITÄT soll jeder Anbieter zu denselben Bedingungen Zugang zu den Netzen erhalten, analog zum Stromnetz oder der Wasserversorgung. Im Internet haben wir jedoch kein Monopol mehr, sondern mit Swisscom, Cablecom und mehreren Mobilnetzen viel Plattform-Konkurrenz. Dieser Kolumnist lebt digital bestens ohne Swisscom. Wenn sich die plattformbasierte Konkurrenz innovativ entfalten soll, müssen diese in ihre Netze mit Zusatzleistungen investieren. Sollten jegliche Internet-Anbieter ohne eigenes Netz freien Zugang erhalten, zerstören wir die Anreize für den Netzausbau, aber auch die Wahlfreiheiten der Endkonsumenten. Wir wollen nämlich von uns aus differenzierte Angebote zu differenzierten Preisen. Die No-Billag-Initiative kommt hier gerade rechtzeitig. Praktisch niemand will doch eine staatliche Quasi-Monopol-SRG, die alle Einwohner unabhängig von der Art oder Intensität der Nutzung einheitlich zwangsbesteuert. Auch im Internet gibt es Kapazitätsengpässe und sinnvolle Differenzierungen bezüglich Schnelligkeit oder dem Spektrum des Angebots. Wenn Chirurgen weltweit an einer Operation teilnehmen, verdient das Priorität im Vergleich zum «Gamen» meiner Enkel. Im Internet, aber auch beim TV oder Radio werden die individuellen Bedürfnisse immer wichtiger und daher auch die unterschiedliche, aber freiwillige Zahlungsbereitschaft zum Beispiel für Sport, Filme oder Spiele. In der Parlaments-Debatte über die No-Billag-Initiative fühlte ich mich in meine Jugend zurückversetzt, wo es Ohrfeigen gab, wenn man die heiligen Nachrichten aus Beromünster störte.

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in der Rubrik “Agenda” der “Basler Zeitung” vom 7. Dezember 2017, S. 19.

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1 thought on “Digitales Geschwafel”

  1. Trotz Vervielfachung der Arbeitsproduktivität hat die Arbeitszeit nur unwesentlich abgenommen und diese Abnahme ist durch erhöhten Stress bei weitem kompensiert. Wir profitiern nur unwesentlich vom technischen Fortschritt.

    Ein neutrales Netz ist nicht gratis. Wir bezahlen es durch die Werbebudgets der beworbenen Produkte. Swisscom ist das einzige Programm auf welches wir durch ein Gesetz Eifluss nehmen können. Besonders gefählich ist die Einflussnahme der “social media” auf die Politik in völlig unkontrollierbarer Art und Weise.

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